50 Jahre Amnesty International in Rösrath

Ein Toast auf die Freiheit

50 Jahre Amnesty International in Rösrath

Am Anfang steht ein Trinkspruch: In einem Café Lissabons stoßen zwei Studenten auf die Freiheit an. Doch Anfang der 60er-Jahre herrscht in Portugal eine Diktatur, die das Wort »Freiheit« in der Öffentlichkeit nicht duldet und die beiden zu 7 Jahren Haft verurteilt. 

1500 Kilometer entfernt liest der 39-jährige Anwalt Peter Benenson eine Zeitungsmeldung über das Urteil. Er ist empört – doch was kann ein Einzelner schon tun? Da kommt ihm der Gedanke: »Wenn andere Menschen mit mir zusammen aktiv würden, könnten wir etwas erreichen!«  Wenig später, am 28. Mai 1961, erscheint in der englischen Zeitung Observer ein ganzseitiger Artikel: »Die vergessenen Gefangenen«. Benenson fordert die Leser auf, an Regierungen zu schreiben und die Freilassung von Gewissensgefangenen zu fordern. Die Resonanz ist überwältigend: 30 große Zeitungen in verschiedenen Ländern drucken den Artikel nach, über 1000 Interessierte melden sich. Amnesty International wird gegründet.

Wenig später feiern Kölner Journalisten ein Sommerfest. Ein BBC-Journalist berichtet lebhaft von seinem Engagement für die neue Gefangenenhilfsorganisation. Viele Gäste sind beeindruckt, darunter die WDR-Journalisten Carola Stern und Gerd Ruge – so wird das Sommervergnügen zur Geburtsstunde der deutschen Sektion von Amnesty International.

Heute, 50 Jahre später, hat die Organisation über drei Millionen Mitglieder und Unterstützer in 150 Ländern. In Deutschland gibt es über 500 ai-Gruppen.  Eine davon auch hier in Rösrath. In den Archiven ist das Gründungsdatum der Rösrath-Bensberg-Overather Gruppe 1020 mit dem 13.5.1965 angegeben – die älteste noch durchgängig bestehende deutsche Gruppe!

Was macht eine ai-Gruppe in unserer Stadt? Wir schreiben Briefe, Postkarten, Faxe und E-Mails, vor allem an Regierungen oder Behörden. Je mehr Menschen schreiben, desto größer der Druck – den meisten Regierungen  ist es unangenehm, international als Menschenrechtsverletzer gebrandmarkt zu werden. Daher versuchen wir die lokale Öffentlichkeit zu informieren und zur Unterstützung aufzurufen: an ai-Ständen auf Märkten oder Basaren, bei Ausstellungen und Veranstaltungen im Bürgerhaus, Besuchen an Schulen, bei Gottesdiensten…

Seit Jahren versuchen wir Menschenrechtsorganisationen in Mexiko durch internationalen Rückhalt Schutz vor staatlicher Willkür und Verfolgung zu geben. Auch unser Bundestagsabgeordneter Wolfgang Bosbach hat sich deswegen auf unsere Bitte bereits mehrfach mit Briefen an mexikanische Behörden gewandt.

Häufig wird uns die Frage gestellt: »Wie haltet ihr das nur aus – immer diese Nachrichten über das Schlechte in der Welt, über Folter, staatlichen Mord, unmenschliche Haftbedingungen … bedrückt  euch das nicht?« Natürlich sind Menschenrechtsverletzungen bedrückend – aber das Gefühl, der Ohnmacht des Einzelnen etwas entgegensetzen zu können, gibt Auftrieb. Und bei einem Drittel bis der Hälfte der Fälle erreichen wir durchaus Verbesserungen!

Die Gruppe wird sicher auch weiterhin viel zu tun haben – für manche Aktionen und Ideen reichen unsere Kapazitäten nicht, deshalb wünschen wir uns dringend neue, engagierte Mitarbeiter. Materieller Gewinn ist von der Menschenrechtsarbeit nicht zu erwarten, dafür aber ein weites und interessantes Betätigungsfeld und auch ein großer persönlicher Gewinn – im Sinne der 2006 verstorbenen Carola Stern, die sagte: »Das Vernünftigste, was ich in meinem Leben getan habe, war, Amnesty International in der Bundesrepublik zu gründen.« Andrea Reusch, Sprecherin für die ai-Gruppe Rösrath, Overath, Bensberg