Peter Helten

Rösrath liest

Peter Helten

Er verblüfft sein Publikum mit virtuosen Tricks, aber auch mit Sprachwitz, rasanten Wortspielen und punktgenauen Beobachtungen menschlicher Schwächen. Peter Heltens Programm ist eine Mischung aus Magie und Kabarett. Wenn der ehemalige Lehrer zaubert und gleichzeitig mit seinen Kommunikationskaskaden das nur scheinbar nicht Zusammengehörige verknüpft, überschreitet er Grenzen. Und genau das sucht er auch in seiner Lektüre. Es geht um die Ausweitung des Erfahrungshorizonts, das Hinein-gesogen-Werden in eine andere Welt, um das Kino im Kopf, das durch nichts anderes entsteht als das Echo, das die Worte in einem auslösen. Peter Helten ist jemand, der schon bei den ersten Zeilen eines Romans auf den Donnerschlag wartet, die Liebe auf den ersten Blick, die ihn, den Schnellleser mit fotografischem Gedächtnis in reißender Fahrt bis zum Ende des Buches treibt. Der Alltag ist da mal kurz weggezaubert.

Bereits als kleiner Steppke hat ihn das Lesen berührt. Er erinnert sich an »Das Rote U«, eine Detektivgeschichte, die seine Grundschullehrerin vorgelesen hatte. Die Fünf-Freunde-Bücher von Enid Blyton hat er verschlungen, genauso wie die Kästner-Romane und Astrid Lindgren. »Die heile Welt von Bullerbü fand ich schön«, bekennt der Rösrather. Dann gab es jede Menge Grenzen überschreitende Geschichten wie »Alice im Wunderland«, »Gullivers Reisen«, sehr viel später auch Tolkien und schließlich auch die Harry-Potter-Romane.

Helten liest am liebsten in seinen »Freiraumzeiten« und dann aufrecht im Sitzen. Und weil er Büchereifan ist, schmökert er meist Ausgeliehenes. Er besitzt von fast jeder Stadt, in der er aufgetreten ist, einen Leihausweis.

Zu Hause gibt es ein festes Ritual. Zunächst breitet er seine neue Lektüre vor sich aus, hält Kaffee und Plätzchen parat, um sich dann in seinen Ohrensessel zu versenken und ganz dem Lesen hinzugeben. »Wenn Bücher mich reinziehen, brauche ich nichts weiter«, bekennt Helten. So war es auch bei dem Roman, den er vorstellen will.

»Ich kenne Aja, seit ich denken kann. Ich habe kaum eine Erinnerung an eine Zeit vor ihr, an ein Leben, in dem es sie nicht gegeben hat, keine Vorstellung, wie sie ausgesehen haben könnten, Tage ohne Aja. Aja gefiel mir sofort. Sie sprach laut und deutlich und kannte Wörter wie Wanderzirkus und Schellenkranz«, so ist der Anfang von Zsuzsa Bánks »Die hellen Tage«. Als Helten ihn las, hatte er sofort Lust auf mehr, vielleicht weil das Wort Wanderzirkus drin vorkommt.

Erzählt wird die Freundschaft dreier Kinder, Seri, Karl und Aja, die in den 60er-Jahren in einer süddeutschen Kleinstadt vaterlos aufwachsen. »Wir fanden uns, wie sich Kinder finden, ohne zu zögern, ohne Umstände«, heißt es über den Beginn ihrer Freundschaft. Sie erleben zunächst ein honigartiges Kindheitsidyll, in das sich nach und nach dunkle Schatten mischen, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. »In ihrer heilen Welt haben sie alle schon Narben davongetragen«, interpretiert Peter Helten das Geschehen. Zwangsläufig kommen die Jahre, die die Kindheit ablösen und in denen das Vergangene verarbeitet werden muss. Karls Bruder ist unter merkwürdigen Umständen verschwunden, Seris Vater tot und Ajas Papa ein Trapezkünstler, der nur einmal im Jahr vorbeikommt, weshalb sich das Familienleben auf nur wenige Augenblicke verdichtet.

»Es geht ums Erwachsenwerden, um Verrat, Liebe, Lüge und eine Vergangenheit, die langsam ihre Geheimnisse offenbart«, so Helten. Die deutsch-ungarische Schriftstellerin Bánk begleitet ihre Protagonisten durch Jugend und Studium. Irgendwann brechen die drei nach Rom auf, wo die beiden Frauen Konkurrentinnen um Karls Liebe werden und wo sie sich verlieren und wieder finden. »Bánk fädelt dabei ihre Worte auf wie an einer endlosen Kette«, urteilt Helten, »ein Sprachstil, der mir gleich gefallen hat.« So entstehen Farben, Stimmungen und Bilder im Kopf mit hellen und dunklen Tagen »als ein dauerhaft erscheinender Sommer der Kindheit«. (Sigrun Stroncik)

Peter Helten ist nicht nur eifriger Leser und Fan von öffentlichen Büchereien, sondern auch Vorsitzender des Freundeskreises der Stadtbücherei Rösrath e.V. Der Freundeskreis setzt sich seit fast zwölf Jahren für die Interessen der Stadtbücherei ein und wirbt eifrig um Sponsorengelder für die verschiedensten Lese-Projekte unter dem Dach der Bücherei. Neue Mitglieder sind immer willkommen.