Eine außergewöhnliche Seereise

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Eine außergewöhnliche Seereise

1898 wurde die Strecke nach Bergen erweitert und seit 1911 verkehren die Hurtigruten-Schiffe von Bergen nach Kirkenes und zurück. Beförderten die Schiffe lange Zeit vor allen Dingen Fracht und Post in den auf dem Landweg nur schwer zugänglichen Norden, so ist die Reise mit Hurtigruten heute eine Mischung aus erholsamer Seereise und alltäglichem Transportmittel für die Küstenbewohner. Das Spektakuläre dieser Reise entlang der norwegischen Küste ist die Natur. Sanfte Hügel wechseln sich mit schroffen Felswänden ab, grüne Täler folgen massiven Bergketten und die malerischen Fjorde mit ihren tosenden Wasserfällen vermitteln Natur pur. Die Häfen, die die Schiffe anlaufen, sind verträumte Fischerorte und moderne Städte. Im Sommer beschert die Mitternachtssonne unvergessliche Deckspaziergänge bei taghellem Licht.

Ausgangspunkt der nördlichen Route ist Bergen. Für diese ehemalige Hansestadt muss man mindestens einen Tag einplanen, um die Sehenswürdigkeiten zu entdecken: Bergens älteste Besiedlung, das Weltkulturerbe Bryggen, der quirlige weltberühmte Fischmarkt im Herzen der Stadt, die Kunstmeile mit imponierenden Schätzen aus Vergangenheit und Gegenwart, das Edvard-Grieg-Museum in Troldhaugen, die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wenn das Schiff gegen 20 Uhr ausläuft, kann man im langsamen Vorbeigleiten das Panorama dieser Kulturmetropole genießen und zufrieden einschlafen. Nun geht es sechs Tage entlang der norwegischen Küste nordwärts. Der zweite Tag bietet gleich zwei Höhepunkte: Ålesund, wurde 1904 ein Opfer der Flammen. Mit deutscher kaiserlicher Hilfe wurde die Stadt im Jugendstil wieder aufgebaut. Bei einem Rundgang kann man die typischen Giebel, Erker, Stuckfassaden und Türmchen bewundern.

Der zweite Höhepunkt wird gegen Mittag erreicht, wenn das Schiff in den Geirangerfjord, seit 2005 Weltnaturerbe, fährt. Steile 1000 Meter hinaufragende Felswände mit grandiosen Wasserfällen, ein Anblick, der kaum in Worte zu fassen ist. Wer noch nicht genug hat und noch mehr von Land und Leuten sehen will, unternimmt einen Ausflug über den Trollstigen und geht erst in Molde wieder an Bord.

Schon naht der dritte Tag, das Schiff erreicht Trondheim. Die zahlreichen Holzbauten verleihen der zweitältesten Stadt Norwegens einen besonderen Charme. Ein Muss ist der Besuch des Nidaros-Doms. Mehrere Brände im 14., 16. und 18. Jahrhundert hatten das Gebäude weitgehend zerstört, doch es wurde umfassend restauriert und ist heute Nationalmonument und Krönungskirche. Beim Spaziergang durch die Stadt beeindrucken auch die auf Pfählen im Wasser stehenden Speicher von Bryggene. Zurück an Bord genießt man für den Rest des Tages die spektakuläre Natur und wartet auf die Überquerung des Polarkreises. Zwischen sieben und acht Uhr, am vierten Tag, kann man dann beim Sektfrühstück die Trennlinie zwischen der Polarzone und der gemäßigten Zone erleben. Dieser Tag bringt bei den Ausflügen an Land die Qual der Wahl. Der zweitgrößte Gletscher Norwegens, der Svartisen, bietet sich an. Doch wer das Abenteuer liebt, kann auf einem Speedboot den stärksten Gezeitenstrom der Welt erleben, begleitet von mächtigen Seeadlern. Zu einem Einblick in die Wikingerzeit Norwegens laden in einem Wikingerzelt auf den Lofoten Häuptling und Dame des Hauses bei Met und Mahl ein.

Für alle Passagiere erlebbar ist die abendliche Fahrt durch den Raftsund, jenem dramatischen Wasserweg mit 1000 Meter hohen Felswänden aus Türmen, Spitzen und Buckeln mit Gletscherhauben gekrönt und gegen Mitternacht die Einfahrt in den Trollfjord, 2 Kilometer lang und gerade mal 100 Meter breit. Nirgendwo auf der Hurtigruten-Strecke kommt man den nackten senkrecht aus dem Wasser sich erhebenden Felswänden so nah wie hier. Das Schiff dreht auf der Stelle, um wieder hinauszukommen.

Das nächste Ziel: Tromsø mit der nördlichsten Universität, der nördlichsten Brauerei, dem nördlichsten Planetarium, zahlreichen alten Holzhäusern und der berühmten Eismeer-Kathedrale. Da das Schiff in der Stadtmitte anlegt, ist die »Pforte zum Eismeer« fußläufig gut zu erkunden. Erkunden muss man auf jeden Fall den Höhepunkt einer jeden Hurtigruten-Reise, das Nordkap. Wenn das Schiff in Honningsvåg angelegt hat, geht es mit dem Bus zu dem 307 Meter hoch aus dem Nordmeer ragenden Schieferfelsen. Während der Fahrt dorthin erlebt man die baumlose arktische Natur und begegnet Rentieren. Die Herden laufen im Sommer frei herum und gehören den hoch im Norden wohnenden Samen. Laut norwegischem Gesetz dürfen nur Samen Rentiere halten.

Bei einem Besuch der samischen Familie Utsi erfährt man alles über Tradition und Leben der Samen und über die Rentiere, die hier oben ein ausgeglichenes Leben führen: vier Stunden fressen – vier Stunden wiederkäuen – vier Stunden fressen – vier Stunden wiederkäuen – und so weiter. Es soll Leute geben, die behaupten das auch von den Hurtigruten-Passagieren. (Wilfried Kochner)

Info: www.hurtigruten.de