Inklusion in Rösrath

Erstmal Kopfsache

Inklusion in Rösrath

Praktisch bedeutet dies, dass auch weiterführende Schulen ab sofort Kinder mit körperlich-motorischen Behinderungen (KM) oder Lernschwierigkeiten und Einschränkungen in der emotional-sozialen Entwicklung (LSE) aufnehmen müssen. Inklusionskoordinatoren im Schulamt Bergisch Gladbach beraten Eltern und schlagen eine geeignete Regelschule im Landkreis vor. Denn in Wahrheit besteht die volle Wahlfreiheit nur auf dem Papier.

Das Problem in Rösrath: Die Realschule ist nicht barrierefrei, es gibt keinen Aufzug, gehbehinderte Schüler müssten getragen werden. Das Gymnasium besitzt zwar einen Lastenaufzug, der nach Absprache genutzt werden kann, barrierefrei ist es aber auch nicht. Die Schwierigkeiten für körperlich-motorisch behinderte Kinder beginnen schon beim Weg in die Schule, denn auch die Schulbusse sind nicht entsprechend ausgerüstet. Keiner der Rösrather Bahnhöfe ist behindertengerecht, Rampen bei der Regionalbahn sind Glückssache, wie ein Test von Schülern der LVR-Schule am Königsforst im Herbst gezeigt hat.

Tatsächlich wurden in Rösrath im Rahmen der Inklusion sieben Kinder mit Einschränkungen im LSE-Bereich eingeschult. »Eine riesige Herausforderung«, zieht Realschulleiter Oliver Berger eine erste Bilanz. Obwohl er die Inklusion grundsätzlich für wichtig hält, sieht er große Mängel bei der Umsetzung. »Es ist, als hätte man uns mit Turnschuhen und einem Seil auf einen 4000er geschickt mit der Ansage, wie ihr oben ankommt, erklären wir euch unterwegs.« Gelingende Inklusion erfordere personelle und sächliche Ressourcen. Berger konkretisiert: »Die Schule braucht nicht nur Barrierefreiheit und technische Ausrüstung, sondern auch Differenzierungsräume, Möglichkeiten für Unterricht in Kleingruppen, Schulungen für alle Lehrkräfte und eine zeitliche Entlastung, um mit den Sonderpädagogen (zwei Halbtagskräfte) gemeinsam Förderpläne auszuarbeiten, Berichtszeugnisse zu schreiben und im Dialog mit Lehrern und Eltern laufend Diagnosearbeit zu leisten.« Positiv erlebt Berger das Engagement seines Kollegiums, »die praktische Arbeit führt zu einem Umdenken in den Köpfen«. Dennoch sieht er die Gefahr des Scheiterns und verfolgt mit großer Sorge, wie die in Rösrath anerkannten Förderschulen (Käthe-Kollwitz und Martin-Luther-King) unter Druck geraten. »Wir können auf diese Expertise nicht verzichten«, betont Berger. Hier werde an Einsparungen gedacht, die einen langfristigen Erfolg schulischer Inklusion zusätzlich erschweren.

Auch das Jugendamt der Stadt Rösrath sieht in der Inklusion eine Herkulesaufgabe. »Ein inklusives Rösrath wendet sich allen Menschen zu«, betont Jugendamtsleiter Klaus Graß, »die davon bedroht sind, an den Rand unserer Gesellschaft zu geraten.« Elke Günzel, Bereichsleiterin im Jugendamt, ergänzt: »Inklusion ist eine Haltungsfrage, sie beginnt im Kopf.« Auch sie fordert einen deutlich besseren Personalschlüssel in Kindertagesstätten und Schulen. Unter Mithilfe unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen hat die Stadt einen Inklusionsplan erstellt mit praktischen Maßnahmen in den Bereichen Arbeit, Schule und frühkindliche Erziehung, Freizeit und öffentliches Leben, Mobilität, Wohnen und Verwaltung. Einige Punkte sind bereits umgesetzt, viele Vorschläge liegen auf dem Tisch: Überprüfung der Ampel-Schaltzeiten, Aufbau eines Katasters für barrierefreien Wohnraum, zusätzliche Behindertenparkplätze, Erhalt integrativer Tageseinrichtungen, barrierefreie Wahlkabinen und vieles mehr. »Alle Arbeitsgruppen haben betont, dass es vor allem darauf ankommt, die Menschen so zu sensibilisieren, dass sie die Bedürfnisse behinderter Menschen automatisch mitdenken«, berichtet Graß. Der geplante Umbau des Schulzentrums wird eine erste Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen. (Petra Stoll-Hennen)

Jugendamt Rösrath
Klaus Graß, Tel. 802310; Elke Günzel, Tel. 802316

Schulamt Rheinisch-Bergischer Kreis
Kreishaus, Am Rübezahlwald 7, 51469 Bergisch Gladbach, Tel. 02202 132023