Der Künstler aus Aleppo

Sankt Nikolaus von Tolentino

Der Künstler aus Aleppo

Aleppo – die zweitgrößte Metropole Syriens – war bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs eine blühende Stadt. Die trutzige Zitadelle, die alte Omajjaden-Moschee und der berühmte Souk zogen zahlreiche Touristen an, es herrschte ein reges wirtschaftliches Leben. Rund 150 000 Christen wohnten damals hier, unter ihnen auch Nabil Alnahi und seine Familie. Schon als Kind war er Messdiener in der örtlichen Kirche und Teil der christlichen Community der Stadt. Der gelernte Goldschmied betrieb eine gut gehende Speditionsfirma und führte mit Ehefrau Olga und den beiden Kindern ein beschauliches Leben. Bis Aleppo im Sommer 2012 in den Bürgerkrieg hineingezogen wurde. Heute sind große Teile der Stadt komplett zerstört, die berühmten Bauwerke nur noch Ruinen, die christliche Gemeinde ist auf 30 000 Mitglieder geschrumpft.

Über zwei Jahre hielten die Alnahis damals durch, trotz des Granatenbeschusses auf ihr Haus, trotz Strom- und Wassermangels – Wasser holten sie aus dem Kirchenbrunnen –, trotz der täglichen Angst, ob die Kinder heil aus der Schule zurückkehren. »Wir dachten immer, irgendwann muss es ja vorbei sein, aber es ging nicht vorbei.« Die Familie beschloss, einen Neuanfang in Europa zu wagen. Während Frau und Kinder vorübergehend in der Hauptstadt Damaskus unterkamen, machte sich Nabil Alnahi auf den beschwer­lichen Weg über den Libanon, die Türkei und Griechenland nach Deutschland. »Deutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg auch völlig zerstört und die Deutschen haben es wieder aufgebaut. Ich war mir sicher, hier eine Arbeit finden zu können.« Nach Zwischenstationen in Trier und dem pfälzischen Neustadt kam er schließlich im Herbst 2015 nach Rösrath. »Freunde aus Aleppo lebten schon hier und über sie habe ich Kontakt zur katholischen Gemeinde bekommen«, erzählt Alnahi.

Es war ein Ankommen im sicheren Hafen. Gemeindemitglieder verschafften ihm eine vorübergehende Bleibe und halfen, 2017 seine Familie nachzuholen. Seitdem engagieren sich die Alnahis in der Gemeinde und der Flüchtlingshilfe und fühlen sich dort gut aufgenommen. Schwieriger war die Jobsuche. »Ich war zunächst bei einer Leihfirma, habe mal hier, mal dort gearbeitet.« Bis im vergangenen Jahr Pfarrer Franz Gerards auf ihn zukam und fragte, ob er das im Januar frei werdende Küsteramt für Rösrath und Forsbach übernehmen wolle. Von den Aufgaben eines Küsters wusste Nabil Alnahi bis dahin nicht viel. »Ich dachte, der Küster hat den Schlüssel für die Kirche und zündet die Kerzen an«, lacht er, während sein Handy klingelt und eine Dame sich nach den Vorbereitungen für den Schulgottesdienst am nächsten Tag erkundigt. Tatsächlich ist das Amt sehr viel mehr. Vor- und Nachbereitung der Gottesdienste, Trauerfeiern und Kommunionsfeiern in Rösrath und Forsbach, Bereitlegen der liturgi­schen Bücher, Bestellung der Ker­zen – es gibt 15 verschiedene Sorten – und Hostien, Reinigung der Priesterkleidung, Reparaturtätigkeiten – kurz: die Verantwortung für einen reibungs­losen Ablauf. Mit seiner neuen Tätigkeit ist Nabil Alnahi mittler­weile schon vertraut geworden, doch an eines hat er sich in den Jahren in Deutschland noch nicht richtig gewöhnen können, den Mitgliederschwund bei den Kirchen hierzulande. »Bei uns waren die Kirchen zu den Gottesdiensten immer voll.« (ER)