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Dr. Josef Kirchner

Der Bote wird geköpft

Als die hocherfolgreiche Fahndungsarbeit bezüglich Kinderpornografie und -prostitution von ihm in Gang gesetzt wurde, warf man ihm vor, es viel zu spät zu tun.

Kommen wir zum Faktencheck: Als ich Ende der 80er-Jahre in Bonner Kliniken die Bonner Gerüchteküche kennenlernte, wurde gerne über Politiker und ihre sexuellen Verirrungen gemunkelt. Da wurde auch der Name eines Bundeskanzlers mit blonden blauäugigen minderjährigen Prostituierten in Verbindung gebracht. In meinem Bekanntenkreis gibt es eine mittlerweile über 70-jährige, die als junge Frau bereits im Rahmen der öffentlichen Jugend­hilfe eine Wohngruppe für minderjährige Prostituierte in Köln-Porz leitete. Seit meiner Niederlassung in Rösrath vor 25 Jahren habe ich immer wieder mit Kindern und Jugendlichen zu tun, bei denen sich der Verdacht aufdrängt, dass sie von ihren Familien der Prostitution preisgegeben werden. Derartiges höre ich auch von meinen Kollegen im gesamten Bundesgebiet. Leider ist die Mauer des Schweigens der Beteiligten und Opfer so gut wie undurchdringlich. In den seltensten Fällen gelingt es, mit Rechtsmitteln diese Verbrechen zu verhindern. Köln-Mülheim ist seit Jahrzehnten ein Hotspot für Kinderprostitution, wo die »lieben Eltern« ihr Kind einem »lieben Onkel« gegen Geld an die Hand geben, damit sie ihm die »Schönheiten Kölns« zeigen. Dies geschieht dann meist in einem schmuddeligen Zimmer in einer schmuddeligen Absteige. Jeder Pädophile der Gegend kennt die Orte, wo Kinder zur Prostitution angesprochen werden können. Das geht vom Kaufhof bis zu den Köln-Arkaden. Vor ungefähr zehn Jahren habe ich am runden Tisch zur Jugendhilfe in Köln das Thema eingebracht, wie die verschiedenen Beteiligten von Jugendhilfe, Schule sowie Ärzten die Schrecknisse der Kinderprostitution in Köln eindäm­men könnten. Außer guten Absichten ist davon nichts übrig geblieben. Als dann schließlich meine damals 13-jährige Patientin sich mit schweren Unterleibsblutungen nach stumpfen Bauchtraumata in die Notaufnahme der nächsten Klinik geschleppt hatte und sie dort sofort aussagte, sie würde nicht sagen, von wem die Verletzungen stammen, bin ich persönlich nach Köln zur Polizei gefahren und habe den von mir als »Loverboy« verdächtigten Freund angezeigt. Auch diese Anzeige verlief wegen Aussageverweigerung und mangels Beweisen im Sande.

Für mich ist es jetzt eine tiefe Genugtuung, dass wir täglich in der Zeitung lesen können, mit welchem Erfolg die Fahndung im Internet nach Kinderpornografie und -prosti­tution betrieben wird. Wir können den Fahndern, die sich mit diesen Schreck­nissen befassen müssen, nur dankbar sein für ihre Arbeit.

Kollektiv schämen sollten wir uns aber. Jeder, der die Augen vor dem Thema Kinderprostitution in der Mitte unserer gutbürgerlichen Gesell­schaft nicht zugemacht hat, hätte genug Hinweise finden können. Es stellt sich die Frage, warum so wenige danach gesucht haben und so viele das Thema lieber leug­neten.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Reul für seinen Mut, Themen anzupacken, die von anderen in den letzten Jahrzehnten totgeschwiegen wurden.

Bleiben Sie nachdenklich!
Ihr Team der jugendpsychiatrischen Praxis Rösrath!