Wohngruppe der WMB

Wir sind Rösrath

Wohngruppe der WMB

Er ist mit 31 Jahren das Küken der Wohngruppe von Doris Börsch-Müller, die als Studentin der Sozialpädagogik ein Praktikum in der WMB machte und dann hier »hängen blieb«. Denis arbeitet in einer Werkstatt in Bergisch Gladbach und »ist schwer verliebt«, wie Helga neckend verkündet, während sie Milch über den Tisch reicht. Karina heißt seine Traumfrau. Er hat sie am Arbeitsplatz kennengelernt. Stolz zeigt er ein Foto von ihr, das er auf seinem Handy hat: Denis und Karina bei einer Pause zusammensitzend. »Ich könnte sie jeden Tag knutschen«, sprudelt es aus ihm heraus.

Rainer hat sich die Kniescheibe gebrochen und muss sich per Roll­stuhl seinen Weg zum Tisch bahnen. »Früher«, so erzählt Doris Börsch-Müller, »konnte Rainer öffentliche Verkehrsmittel benutzen, war eigenständig und gut orientiert, doch jetzt bekommt er öfter epileptische Anfälle und braucht sehr viel Unterstützung im Alltag.«

42 Frauen und Männer mit geistiger und/oder – mehrfacher Behinderung leben in fünf stationären Wohngruppen und zwei Außenwohngruppen im ältesten Haus der WMB an der Scharrenbroicher Straße, das 1982 eröffnet wurde. Mietshäuser, Einfamilienhäuser und Schulen sind in der Nachbarschaft, das Rösrather Zentrum ist zu Fuß nicht weit. Viele der Bewohner waren Anfang 20, als sie hierherkamen und Teil des sozialen Lebens der Stadt wurden. »Ich habe das immer sehr entspannt hier in Rösrath empfun­den. Wir nehmen am Karnevalszug teil, sind in Vereinen, die Bewohner sind in den Geschäften gerne gesehen, die Ärzteversorgung ist gut, alle sind integriert, ohne Übertreibun­gen«, bestätigt Hausleiter Karl Schlüter.

So selbstständig wie möglich und mit so viel Schutz und Hilfe wie nötig ist das Leitbild der WMB. Vielleicht lässt sich das in einer überschaubaren Kleinstadt einfacher verwirklichen. »Hier geht zumindest keiner verloren«, sagt Doris Börsch-Müller«, die im Ort gut vernetzt ist und mit den Jahren viele Rösrather Bürger als Betreuer oder zur Freizeitgestaltung gewinnen konnte. Helga und Uschi gehen ger­ne nach Rösrath. Kaffee trinken, ein wenig bummeln. Die Berufs­tätigen der Wohngruppe trifft man am langen Donnerstag nach ihrer Arbeit in der Raiffeisenbank, um Geld zu holen.

Ein schönes Zuhause, eine erfüllende Arbeit, Freizeit mit Freunden, vielleicht eine Partnerschaft, sich eine Zukunft aufbauen, Teilhabe an der Gesellschaft, die Bedürfnisse und der Alltag unterscheiden sich nicht von denen anderer Rösrather.

Uschi und Annemarie sind mittlerweile Rentnerinnen und haben jetzt tagsüber viel freie Zeit, die gefüllt werden muss. Daraus ergeben sich völlig neue Anforderungen an die WMB. Helga und Denis dagegen stehen im Arbeitsleben und müssen an den Wochentagen früh raus. Zwischen 7 Uhr und 7 Uhr 30 holt sie der Bus ab, um sie zu den umliegenden Werkstätten zu bringen, gegen 16 Uhr kommen sie zurück. Die Arbeit gibt ihrem Leben Struktur. Jede Gruppe hat einen Gemeinschaftsraum mit Küche. Dort wird mit dem Betreuer gefrühstückt und zu Abend geges­sen, geredet, gelacht, sich ausgetauscht. Manchmal kaufen sie gemeinsam ein, um zu kochen. Man lebt als Paar zusammen oder alleine, man geht zu den Kölner Haien oder zum FC, macht Urlaub auf Mallorca, in Kroatien oder an der Ostsee. Das Leben geht seinen Gang. Bewohner werden älter, manchmal kränker und pflegebedürftiger. Abschiede werden häu­figer. Erst vor Kurzem ist ein Bewohner mit Mitte 40 verstorben, relativ schnell nach einer Demenz-Diagnose. Den Verlust spüren alle, denn hier kennt man sich schon seit Jahren.

Alles also wie bei anderen, aber »die totale Freiheit ist das nicht immer«, weiß Doris Börsch-Müller. Ein Jugendfreund von Annemarie zog ins Haus. Sie verliebten sich, waren verlobt und wollten heiraten. Doch Anne­maries Tante entschied als amtliche Betreuerin dagegen. Damals war das Betreuungsgesetz noch nicht reformiert. Als nach dem Tod der Tante die Betreuung wechselte, war der Weg frei, aber es war zu spät. Denn Annemaries Verlobter starb, bevor sie heiraten konnten. Jetzt lebt sie, die Leise, gemeinsam mit der selbstbewusst auftretenden Helga in einer der Außenwohnungen. Auch das kann man hier: sich gegenseitig stützen. (Sigrun Stroncik)

Rösrath in Zahlen.
Rösrath hat knapp 12100 Haushalte. 32 Prozent davon sind Singlehaushalte, in knapp 50 Prozent leben Ehepaare, 7 Prozent sind nicht eheliche Lebensgemeinschaften, und ein eher kleiner Anteil von 2,4 Prozent sind Mehrpersonenhaushalte ohne Kernfamilie, wie es im schönsten Statistikdeutsch heißt, darunter fallen beispielsweise auch Wohngemeinschaften.