Menschen in Rösrath
Mary Bauermeister
Schwimmende Dachgärten, Steinkreise, die den Blick auf die Unendlichkeit richten, Prismen-Skulpturen, die das eingefangene Sonnenlicht in die Farben des Regenbogens zerstäuben, Bäume, die durch die Fensterfronten lugen, Efeu, das von draußen durch die Fensterritzen nach innen wächst, um das Drinnen mit dem Draußen zu vereinen, dazu all die zusammengetragenen Dinge eines 75-jährigen Lebens. Das Forsbacher Haus der berühmten Künstlerin Mary Bauermeister ist die reinste Wunderkammer. Man verfällt in kindliches Staunen. Überall gibt es etwas zu entdecken und in Beziehung zu setzen. »Ich bin eben ein Eichhörnchen«, sagt sie über sich. Vielleicht liege es daran, dass sie Kriegsgeneration sei. Damals wurde eben jeder Nagel wieder gerade geklopft und weiter verwendet.
Auf dem Küchentisch stehen selbst gemachtes Quittengelee und Traubensaft. Sie sei ein Mensch, der Vorräte sammle. Zum Beispiel Pilze, die werden dann getrocknet. Das Sammeln gehört zu ihrem Leben. An den Stränden des Atlantiks und Mittelmeers hat sie mit ihren Kindern kiloweise flache Steine jeglicher Größe und Farbe gesammelt, um aus ihnen die berühmten Steinreliefs zu machen, diese in ein ästhetisches System geordnete Natur, die einem mathematischen Geist entsprungen scheint. Mary Bauermeister hat Respekt vor den verschiedenen Materialien, vor den in ihnen wohnenden Energien, die sie bildhaft zu machen versucht. Die Materialien ihres Lebens sind Stein und Glas. Irden, undurchsichtig und schwer das eine, ätherisch, luzid und leicht das andere.
Selbst Kürbisse präpariert Bauermeister in der Wachstumsphase so mit Schrift, dass diese gemeinsam ein Gedicht ergeben – »pumpkin poems«. Natur und Kunst, Leben und Kunst, wie die Kunst in das Leben hineinwirkt, in das Soziale, das interessiert sie bis heute.
Sie steht auf, wenn der Tag heraufdämmert, im Sommer meist gegen vier, fünf Uhr. Das ist ihre produktive Zeit, wo sie schreibt, zeichnet, ihren Träumen nachhängt. Die Zeit des schöpferisch inspirierten Denkens nennt sie das. Angefangen hat Mary Bauermeister mit Malerei, dann kam sie zur Skulptur, und schließlich gestaltete sie ganze Landschaftsgärten. In ihrem legendären Kölner Atelier gingen Anfang der 60er-Jahre regelmäßig die Protagonisten der künstlerischen Avantgarde, später auch Fluxusbewegung genannt, ein und aus. Arm war sie. »Erst mit 26 wurde ich zum ersten Mal satt.« Da war sie schon in den USA. Mittlerweile befinden sich rund 400 Arbeiten in amerikanischen Museen und Privatsammlungen. »Der Dollarkurs stand damals eins zu vier« – die Erträge sorgten für finanzielle Unabhängigkeit. Ihre vier Kinder hat sie allein erzogen. Sie war Ehefrau und Muse des Komponisten Karlheinz Stockhausen. »Und er war mein Muserich.« Von ihm hat sie strukturiertes Gestalten gelernt, er von ihr Spontaneität. »Als Mutter war ich vielleicht gut, als Künstlerin war ich gut, nur zur Ehefrau hatte ich kein Talent«, bekennt sie.
Seit Längerem schreibt sie an einer »Briefografie«, einem Stück Kunst- und Lebensgeschichte. Sie verfasst ein Werkverzeichnis ihrer 900 Arbeiten. Für eine große Retrospektive im nächsten Jahr lässt sie einige ihrer Objekte restaurieren. Doch nur retrospektiv ist ihr Leben nicht. Sie plant für die Zukunft eine große Kulturaktion in den Hütten und Wohnwagen in ihrem Garten. Jeder Wagen soll eine andere Kultur präsentieren mit ihren Erzählungen, ihrer Kunst, ihrer typischen Kleidung und ihren Essgewohnheiten. Gestaltet und mit Leben gefüllt werden sollen diese Kulturwohnwagen durch die Schüler dieser Stadt. In der griechischen Philosophie bedeutet der Begriff Energie tätige Wirksamkeit. Mary Bauermeister hat mit 75 ungeheure schöpferische Energie. Und vielleicht inspiriert sie damit ja auch die Jugend von Rösrath, wenn das mit dem Kulturprojekt klappt. Also unbedingt bei ihr melden. (Sigrun Stroncik)
3 Fragen an Mary Bauermeister
Was mögen Sie besonders an der Stadt Rösrath?
Bauermeister: Ich liebe an Rösrath den Wald, vor allem den Königsforst. Und die großen fast 150 Jahre alten Buchen.
Was würden Sie gerne in Rösrath ändern?
Ich würde mir für Forsbach endlich einen Dorfplatz wünschen, auf dem so etwas wie Gemeinschaft stattfinden kann, Begegnungen, Feste. Den Halfenhof hätte man zu so einem Platz machen können, die Chance ist aber vertan worden. Vielleicht lässt sich da noch etwas ändern oder erweitern durch Kunst, Wasser, Pflanzen, Steine.
Verraten Sie uns Ihren Lieblingsplatz in Rösrath?
Mein Lieblingsplatz ist die Schlucht am Ende der Hedwigshöhe, wo drei Quellen entspringen, sich eine kleine Insel gebildet und eine wilde Naturlandschaft entfaltet hat.
Weitere Informationen zu Mary Bauermeister:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Bauermeister