Michaela Rusch

Rösrath liest

Michaela Rusch

Jemanden wie Michaela Rusch also zu fragen, welche Rolle Bücher in ihrem Leben spielen, erübrigt sich. »Das Buch ist ein tolles Medium, um in andere Welten einzutauchen, es ist ein Bildungs- und Kulturgut«, sagt sie. Und: »Man lernt neue Situationen und Gedanken kennen.« Auf die aktuellen Till-Eulenspiegel-Lesezeichen hat sie deshalb Folgendes drucken lassen: »Bücher bewegen. Im Positiven wie im Negativen.« Literarisch bewegen lässt sich Michaela Rusch privat von Krimis und Klassik, wobei sie gerne mal den Schluss eines Buches zuerst liest, einfach so.

Ansonsten schmökert sie überall, wo es geht, abends, zu Hause, im Urlaub, in der Bahn, im Bus, Lesestoff hat Michaela Rusch für sich selbst immer parat, sie sitzt ja an der Quelle. Dass sie ein Buch mehrmals liest, kommt allerdings nie vor – mit einer einzigen Ausnahme: Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Diesen Gesellschaftsroman der englischen Schriftstellerin, die vor 200 Jahren gestorben ist, stellt Michaela Rusch vor. »Ich war um die 20 Jahre alt, als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, danach habe ich die weiteren fünf Romane von Jane Austen, aber auch alles von den Bronte-Schwestern verschlungen«, erzählt sie.

»Stolz und Vorurteil« beginnt mit ziemlich berühmt gewordenen ersten Sätzen: »Es ist eine weltweit anerkannte Wahrheit, dass ein allein­stehender Mann, der im Besitz eines ordentlichen Vermögens ist, nach nichts so sehr Verlangen haben muss wie nach einem Weibe. Sowenig die Gefühle und Ansichten solch eines Mannes bei seinem ersten Erscheinen in der Nachbarschaft auch bekannt sein mögen, diese Wahrheit ist derart fest verankert in den Ge­mütern der umgebenden Familien, dass er bereits als rechtmäßiges Eigentum der einen oder andern ihrer Töchter betrachtet wird.« Das Grundthema ist hier sofort auf den Punkt gebracht: Partnerwahl, Heirat und Ökonomie. »Es geht in dem Buch darum, fünf Töchter zu verheiraten, und das möglichst gut. Die Töchter aber wollen sich vor allem aus Liebe verehelichen, was den Eltern völlig egal ist.«

Die Familie Bennet lebt mit besagten fünf Töchtern als ländlicher Kleinadel in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen. Frauen sind nicht erbberechtigt und dürfen auch nicht arbeiten. Also sind sie darauf angewiesen, eine gute Partie zu machen. »Die Hauptfiguren sind Elizabeth Bennet und der reiche Fitzwilliam Darcy. Die beiden sind sich zuerst völlig unsympathisch. Elizabeth Bennet ist ein unab­hängiger Geist, setzt sich auch über Konventionen hinweg, ist intelligent und klug. Sie und Darcy müssen nun ihren Stolz und ihre Vorurteile über den anderen abbauen, damit sie am Ende zueinanderfinden«, erzählt Michaela Rusch. Der Leser sieht das Geschehen vor allem durch Eliza­beths Augen, durch ihre Innenperspektive. Hinter ihren individuellen Konflikten sind dabei stets die gesellschaftlichen Zwänge sichtbar. Sie kollidieren mit dem »Sehnen und Streben der Frau nach Autonomie und einer stabilen Partnerschaft auf Augenhöhe«, meint Michaela Rusch. Und auch wenn die Geschichte schließlich auf ein Happy End zustrebt, wird Jane Austen niemals kitschig. »Im Gegenteil, sie be­schreibt diese Gesellschaft mit viel Witz, feiner Ironie und brillanten Dialogen«. Es ist also kein Wunder, dass Austens Romane so häufig verfilmt und immer noch so viel gelesen werden. Die Modernität ihres Schreibens spricht die Menschen eben an, ob jetzt oder vor zweihundert Jahren. »Schließlich bleiben die Themen aktuell: Gleichberechtigung, Liebe, wirtschaftliche Verhältnisse.« (Sigrun Stroncik)