Bondina Schulze

Bürgermeisterin in Corona-Zeiten

Bondina Schulze

Die Bürgermeisterin solle doch sichtbarer sein, wünschte sich eine Rösratherin. Da hat sie recht, sagt Bondina Schulze. Ein bisschen ist sie aber auch froh über den Wegfall von öffentlichen Terminen, denn hinter den Kulissen türmt sich die Arbeit – die selbst gesetzte To-do-Liste ist lang.

Lange To-do-Liste in finanziell eher schwierigen Zeiten
Ganz oben steht die Reform der Rösrather Stadtverwaltung, weitere Punkte sind die Digitalisierung der Verwaltung, mehr Bürgerbeteiligung, mehr Informationen im Vorfeld über geplante Maßnahmen, mehr bezahlbarer Wohnraum, Schaffung alternativer Wohnformen und eine klimaneutrale Verwaltung bis 2030. Viele dicke Bretter, die gebohrt werden wollen, und das in finanziell eher schwierigen Zeiten. So hat die Corona-Pandemie die Stadt Rösrath nach bisherigen Erkenntnissen allein im vergangenen Jahr rund 1,15 Millionen Euro gekostet – bedingt durch Mehrausgaben unter anderem bei Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln und Reinigungskosten sowie Mindererträge durch erlassene Kindertagesstätten-Beiträge. Dem standen Finanzhilfen von Bund und Land in Höhe von 657 000 Euro gegenüber. Der Verzicht auf Kita-Beiträge im Januar 2021 hat die Stadt weitere 124 000 Euro gekostet.

»Das sind vorläufige und noch nicht abschließend geprüfte Zahlen. Wir sind aber sehr stringent in der Isolierung der spezifischen Corona-Kosten«, so Bondina Schulze. Denn ab 2025 kann die Stadt laut NKF-Covid-19-Isolierungsgesetz in NRW die Kos­ten bis zu 50 Jahre lang abschrei­ben. Wie sich die Situation bei den Gewerbesteuer- und (anteiligen) Einkommenssteuereinnahmen entwickeln wird, ist noch nicht absehbar. Zwar hat Rösrath in 2020 bei den Gewerbesteuereinnahmen nach Angaben des Landesbetriebs IT.NRW ein Plus von knapp 42 Prozent im Vergleich zu 2019 gemacht. »Dies war jedoch einer großen Steuernachzahlung aus 2018/2019 geschuldet. Ohne die sähe die Situation anders aus und wir wären ins Minus gerutscht«, erläutert die Bürger­meis­terin.

Reform der Verwaltung
Mithilfe eines externen Experten hat die Stadtspitze in den vergangenen Monaten die Struktur der Verwaltung neu organisiert. Danach soll es künftig nur noch drei statt vier Dezernate geben. Das Dezernat Innerer Service und Finanzen übernimmt Bondina Schulze selbst, das Deze­r­nat Bürgerservice untersteht dem Ersten Beigeordneten Ulrich Kowalewski, das Dezernat Technischer Service soll von einem noch zu findenden Technischen Beigeord­neten geleitet werden. »Wir haben damit eine klarere Struktur gewonnen – so ist zum Beispiel im Dezernat III neben Planen und Bauen auch der Immobilienservice angesiedelt, der vorher bei der Kämmerei war.« Außerdem wurden in den vergangenen Monaten Stellenbewertungen gemacht und einige Stellen aufgewertet. »Das war dringend erforderlich – zum einen, um erfolgte Leistungsausweitungen abzubilden, aber auch, um die Stellen attraktiv zu machen. Denn es gibt einen knallharten Wettbewerb mit umliegen­den Kommunen um gutes Personal.« Aktuell steht die Suche nach einer Nachfolge des ehemaligen Kämmerers Christoph Nicodemus und einem neuen Technischen Beigeordneten auf der Agenda – was sich bis zum Ende des Sommers hinziehen könnte.

Digitalisierung dauert
Das Thema Digitalisierung der Verwaltung wird die Bürgermeisterin noch länger begleiten. »Wir stehen dazu in Gesprächen mit der Südwestfalen IT, die allerdings schon mehrere Treffen wegen Terminüberschneidungen abgesagt hat. Ein erster Schritt wird sein, die Server zu zentralisieren. Und jeder Fachbereich muss entscheiden, welche Prozesse sinnvoll digitalisiert werden können, das braucht jedoch Zeit.«

Mehr Bürgerbeteiligung
In Corona-Zeiten ist Bürgerbeteiligung nicht ganz einfach. »Ich finde es aber toll, dass das Interesse der Bürger­innen und Bürger an den Rats- und Ausschusssitzungen doch recht hoch ist, trotz Pandemie.« Geplant ist, die Sitzungen künftig per Livestream zu übertragen, »das muss aber noch rechtlich und technisch geklärt werden, da alle Teilnehmenden vorher ihre Zustimmung geben müssen, dass sie aufgezeichnet werden dürfen«.

Mehr Information im Vorfeld
»Das mit der Vorabinfo gelingt noch nicht immer«, räumt Bondina Schulze offen ein. So seien kürzlich Parkverbotsschilder in einer Straße aufgestellt worden, weil dort parkende Autos immer wieder die Feuerwehrzufahrt eingeengt hätten – allerdings wurden die Anwohner vorher nicht informiert. »Hier müssen und werden wir künftig sensibler vorgehen.«

Mehr bezahlbarer Wohnraum und alternative Wohnformen
»Es gibt in Rösrath ein sehr großes Spannungsfeld. Auf der einen Seite sind da Eltern und Großeltern, die hier ein Haus für ihre Kinder und Enkel suchen, auf der anderen Seite Anwohner, die keine weiteren Bautätigkeiten wünschen. Beide Seiten wollen berücksichtigt werden.« Beim geförderten Wohnungsbau sei in den letzten Jahren schon viel eingestielt worden. So entstehen zum Beispiel am Sommerberg, an der Brander Straße, auf dem ehemaligen Pefa-Gelände hinter dem Bahnhof und auf dem Gelände von Haus Hack viele neue Wohnungen, die ganz oder teilweise gefördert sind.

»Was alternative Wohnformen an­geht, so sind wir im Gespräch mit einer Initiative, die bereits einen Investor hat und in Rösrath ein geeignetes Grundstück für ein gemischtes Wohnmodell mit offenen WGs sucht.«

Laufende Großprojekte – Schulzentrum, Sülztalplatz …
Neben den selbst gesetzten To-dos stehen weitere Vorhaben an. Zum Beispiel das Großprojekt Schulzentrum, bei dem es – auch pandemiebedingt – zu Verzögerungen kommt, die Umgestaltung des Sülztalplatzes, die im Februar 2022 beginnen soll, und das potenzielle Gewerbegebiet Rambrücken. An der Bitze soll ein neues Geschäfts- und Wohnhaus entstehen, eventuell mit einem Bio-Supermarkt. Wirtschaftsförderung, Soziales, Klimaschutz und Mobilität sind weitere große Themen. Geplant sind unter anderem weitere Ladestationen für E-Bikes im Stadtgebiet. Und ein weiteres Serviceange­bot für Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs kommt. Anfang Mai eröffnet die RVK ein Kundenzentrum in dem neuen Wohnkomplex am Bahnhof Rösrath.

Anträge aus der Politik, Anliegen der Bürgerschaft
Hinzu kommen Anträge aus der Politik wie zum Beispiel kürzlich auf Einführung eines Pfandsystems für Coffee-to-go-Becher. »Grundsätzlich begrüße ich als grüne Bürgermeisterin solche Ideen. Bei den Anbietern vor Ort hielt sich das Interesse in diesem Fall jedoch in Grenzen und auch der Dehoga* hat dies angesichts der schwierigen Lage, in der sich die Betriebe derzeit befinden, eher kritisch gesehen, da es mit viel Aufwand für Hygienemaßnahmen verbunden ist.«

Ein offenes Ohr hat Bondina Schulze auch für Anliegen aus der Bürgerschaft. Jeden vierten Donnerstag im Monat bietet sie von 17 bis 19 Uhr eine offene Sprechstunde an, coronabedingt derzeit telefonisch. »Die Nachfrage beim ersten Termin Ende März war so groß, dass wir direkt noch einen Zusatztermin angeboten haben.«

Das Themenspektrum ist breit. Es reicht vom Ausbau der Straße An der Foche über Wildwuchs beim Riesenbärenklau bis zum geplanten Funkmast in Breide. »Wenn sich etwas machen lässt, wird es gemacht«, sagt die Bürgermeisterin. Ein Aufgabenportfolio, das sich kaum Nine-to-five erledi­gen lässt – nicht selten verlässt Schulze das Rathaus erst in den späten Abendstunden, legt häufiger auch mal eine Samstags-Schicht ein. Spaß macht es ihr trotzdem – und sie freut sich darauf, sich in Nach-Corona-Zeiten wieder unters Volk zu mischen. (ER)

*Deutscher Hotel- und Gaststättenverband