Matthias Buth

Menschen in Rösrath

Matthias Buth

Für Buth ist schreiben wie atmen – eine Lebensnotwendigkeit. Er kann nicht anders. Er muss all das, was er ständig aufmerksam beobachtet, was er denkt und was er erfährt, in Worte fassen, die unserer fluiden Identität und unserer fragilen Existenz Form verleihen. Ein kurzer Nachmittag an der Sülz in Hoffnungsthal, ein Ge­spräch über Literatur, weitet sich mittels Poesie zu etwas Universellem.

»Wenn der Mittag alle Zeiten sammelt und anhält / Der Fluss schreibt mich auf und hinweg / Er ist Nähe die bleibt die niemals ermüdet / Die Zunge die weiterspricht und driftet unterm Gaumenhimmel.«

Für die vielen unfassbaren Dinge, die zwischen Himmel und Erde geschehen, findet Buth eine bildreiche, eigene und unverbrauchte Sprache. Dafür hat er sehr viel Anerkennung erfahren. Der renommierte Germanistik-Professor Karl Otto Conrady nahm seine Gedichte in das Standardwerk »Großes deutsches Gedichtbuch« auf. Die Feuilletons der wichtigsten deutschen Zeitungen und Sender begleiten jedes seiner neuen Gedichtbände mit Aufmerksamkeit, und er ist gern gesehener Gast auf Lyrikfestivals, wie erst vor Kurzem dem Meridian Czernowitz in Galizien, das leider nur in digitaler Form stattfand. Buth gehört zu den Dichterjuristen, jenen Poeten und Schriftstellern, die eine juristische Ausbildung genossen haben. Er promovierte gar in Jura, machte als Ministerialbeamter Karriere, war in zwei Bundesministerien tätig, ehe er ins Bundeskanzleramt wechselte, und hatte dabei immer irgendwie mit Kunst und Kultur zu tun. Dichter und Jurist, für beide sei die Arbeit an der Sprache essenziell, betont Buth. »Als Jurist bin ich Sprachexeget. Als Dichter ver­suche ich eine eigene poetische Realität zu finden, in die der Leser oder Hörer mit seinem eigenen Erfahrungshorizont einspringen kann.« Einen eigenen Sprachexegeseraum hatte er sich auch jahrzehntelang mit den Rösrather Literaturgesprächen geschaffen, die er organisiert und moderiert hatte. Er lockte dabei so manches Autoren-Schwergewicht an die Sülz wie die Lyrikerinnen Hilde Domin und Sarah Kirsch, wie Dieter Wellershoffs, Dieter Kühn, Tilman Röhrig, Erich Loest oder Reiner Kunze. »Es geht um die Begegnungen mit uns selbst in der Literatur und durch die Gespräche über Literatur.« Dieser magische Austausch zwischen Men­schen ist in Zeiten der Pandemie erheblich eingeschränkt.

Ende Mai wird Matthias Buth 70 Jahre alt. Er ist also Mitglied der Risikogruppe, muss Abstand halten zu Kindern und Enkeln, physische Kontakte reduzieren. »Diese Einsamkeit und das Zurückgeworfensein auf sich selbst fördert die Sehnsucht nach Kommunikation«, sagt er. Doch ihm bleibt das Schreiben. Deshalb sei er in der Viruskrise noch kreativer geworden. Gera­de ist ein neuer Lyrikband von ihm erschienen. Die weiße Pest. Gedichte in Zeiten der Corona. Die Sprachstücke umkreisen den Grundton des Lebens – dass das Wissen der eigenen Sterblichkeit das Leben zu etwas Besonderem macht. Der Dichter Buth behält dabei auch immer das Politische im Blick. Ganz konkret gehört sein Engagement nach wie vor der Auschwitzüberlebenden Philomena Franz, die aus einer Sinti-Familie stammt und deren Verwandte fast alle im KZ ermordet wurden. »Ich bin stolz und glücklich, dass sie mich mit ihrer Freundschaft beschenkt hat«, sagt Buth. Nach bisher vergeblichen Initiativen, den Sülztalplatz oder die neu gegründete Gesamtschule nach der 98-Jährigen zu benennen, hat er mit anderen Interessierten das Philomena-Franz-Forum gegründet, eine Plattform, die das auf Versöhnung beruhende Lebenswerk von Philomena Franz würdigen und präsentieren soll. (Sigrun Stroncik)

3 Fragen an Matthias Buth

Was mögen Sie besonders an der Stadt Rösrath?
BUTH: Meinen Wohnort Hoffnungsthal. Die Hoffnung in dem Wort ist eine poetische Offerte.

Was würden Sie gerne in Rösrath ändern?
Ich würde Rösrath – anknüpfend an einen Satz von Paul Celan – zu einer Stadt machen, wo Menschen und Bücher leben. Überhaupt sollte die Literatur eine noch viel größere Rolle spielen. Ich hätte dazu einige Ideen.

Verraten Sie uns Ihren Lieblingsplatz in Rösrath?
Ich bin gerne an der Sülz in Hoffnungsthal und erfreue mich an der Melodie des Flusses und horche, was der Fluss mir erzählt.