Scharfe Leidenschaft

Kai Löhmer

Scharfe Leidenschaft

»Das Ganze hat nichts Martialisches«, betont Löhmer und stellt klar: »Das Messer fasziniert mich als kulturhistorisches Gut, Gewalt hat da keinen Platz.« Schon als kleiner Junge begeisterte er sich für das edle Werkzeug und investierte sein gesamtes Taschengeld in blitzende Klingen. Als es der Geldbeutel erlaubte, begann er wertvolle Stücke namhafter Hersteller zu sammeln und ließ sich Messer nach persönlichen Entwürfen anfertigen. »Je tiefer ich in die Fachwelt eintauchte, desto größer wurde mein Respekt vor diesem Werkzeug«, erinnert sich Löhmer.

2009 war es dann so weit, das erste mit eigenen Händen erschaffene Messer lag auf dem Tisch, ein Jagdnicker mit Damastklinge und einem Griff aus Sambarhirsch. Dazu konstruierte der pensionierte Finanzbeamte die passende Scheide aus Leder mit keltischen Punzierungen (Gravuren), in der die Klinge gesichert und geschützt wird.

Bis zum fertigen Produkt ist es ein weiter Weg: Nach der Materialbeschaffung wird geschliffen, poliert, gebohrt, gefräst, gebeizt, genäht und tiefe Muster in das nasse Leder punziert. Löhmers Werkraum ist gut ausgestattet mit Spezialmaschinen und Fachliteratur, auch antike Werkzeuge kommen zum Einsatz.

Präzision und Liebe zum Detail zeichnen seine Messer ebenso aus wie die Schnittfähigkeit und Haptik. »Ein Messer muss gut in der Hand liegen«, erklärt Löhmer und zieht das »Carolus Magnus« aus der Scheide. »An diesem Messer ist alles besonders«, schwärmt er und tatsächlich schillert und blitzt die Klinge aus rostfreiem Rosendamast in kunstvollen Schwüngen und Mustern. Zwei weitere Highlights sind an beiden Griffenden verarbeitet: Zur Klinge hin leuchtet ein eingearbeiteter Ring in Weißgold, am Griffende besticht eine antike Silbermünze mit dem Relief Karls des Großen. »150 Arbeitsstunden und 1400 Euro Material stecken in diesem Unikat«, überlegt Löhmer laut, »aber der ideelle Wert ist unbezahlbar.«

Inzwischen hat Löhmer rund 30 Unikate gefertigt, darunter auch ein in Acryl eingefasstes, in Fachkreisen beachtetes Messer, dessen Herstellung ihm nicht nur einmal den Schweiß auf die Stirn getrieben hat. Ideen zu neuen Kreationen gehen dem Messerliebhaber nicht aus. Für zukünftige Projekte sammelt er ausgefallene Hölzer und Leder aus der ganzen Welt, in Schweden bestellt er den derzeit besten Messerstahl. Auch Antiquitäten wandern in seine Vorratskiste, so wurden daraus jüngst Teile eines alten Holzsonnenschirms zum Messergriff umfunktioniert.

Wer nun glaubt, die Messer wären ein Fall fürs Museum oder die Vitrine, der irrt: »Einige Messer sind täglich in Gebrauch«, verrät Löhmer und gesteht, dass er auch auswärts mit eigenem Besteck unterwegs ist. Im Stammlokal begrüßen sie ihn mit den Worten: »Löhmers kommen, Messer weg.« (Petra Stoll-Hennen)