Pflegefall – was nun?

Interview mit Birgit Weitkemper

Pflegefall – was nun?

Seit 20 Jahren hilft Birgit Weitkemper Menschen in dieser Ausnahmesituation weiter, zeigt Wege auf und begleitet die Ratsuchenden. Die Pflege- und Seniorenberaterin der Stadt Rösrath ist gelernte Sozialarbeiterin mit Zusatzqualifikation im Case Management.

RÖSRATH erleben sprach mit ihr über die Schwierigkeiten, wenn Eltern pflegebe­dürftig werden.

Was mache ich, wenn die Eltern in ihrer Kraft nachlassen?
Jemand hat mich mal gefragt: Haben Sie nicht eine Gebrauchsanweisung, Frau Weitkemper? Aber es gibt keine. Jeder Fall, jeder Mensch, jede Beziehung ist anders. Wichtig ist, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen. Wenn man zum Beispiel im Kühlschrank der Eltern viele abgelaufene Lebensmittel findet oder der Haus­halt mehr und mehr vernachlässigt wird – dann sollte man als Angehöriger genauer hinschauen. Auch wenn die Eltern ihre Probleme oft gern vertuschen und versuchen, die Fassade zu wahren.

Solche Defizite oder Probleme anzusprechen ist nicht leicht …
Ja, es ist immer eine Gratwande­rung. Oft wollen die Eltern keine Hilfe annehmen. Hier kann es helfen, erst mal formale Dinge zu klären – zum Beispiel eine Vollmacht aufzusetzen. Denn ohne diese ist der Partner oder das Kind im Notfall nicht handlungsfähig. Lassen Sie Ihre Eltern nicht allein, sondern unterstützen Sie sie, zum Beispiel mit Besorgungen. Fragen Sie immer wieder nach, wie es ihnen geht, ob sie beim Arzt waren – das ist beispielsweise bei Diabetikern sehr wichtig.

Wie sieht es mit der Patientenverfügung aus?
Man sollte früh darüber sprechen, was sich die Eltern zum Beispiel unter »lebensverlängernden Maßnahmen« vorstellen und ab wann sie diese nicht mehr wollen. Das Thema nicht direkt anschneiden, nach dem Motto »Ihr braucht eine Patientenverfügung«, sondern sich langsam vorarbeiten. Ein Aufhänger könnte sein: »Die Mutter einer Freundin ist schwer verunglückt und die Ärzte haben die Tochter nach einer Patientenverfügung gefragt. Wie denkt Ihr denn darüber?«

Und wenn es dann so weit ist, dass die Eltern konkrete Hilfe brauchen?
Dann lote ich gemeinsam mit den Angehörigen aus, welche Möglichkeiten es gibt. Können die Eltern in den eigenen vier Wänden bleiben? Manchmal genügt ein barriere­freier Umbau – hier zahlt die Pflegekasse Zuschüsse. Über Nachbarschaftshilfe, Ehrenamtsinitiativen oder die Taschengeldbörse gibt es Hilfe beim Einkaufen, bei der Gartenarbeit oder Begleitung beim Arztbesuch. Pflegebedürftigkeit bedeutet nicht gleich Heimaufenthalt, mit einem ambulanten Pflege­dienst oder einer Haushaltshilfe können die Eltern oft noch lange zu Hause bleiben. Ich informiere, welche Leistungen die Pflegeversicherung vorhält und wie man diese am sinnvollsten einsetzt. Und wenn es zu Hause nicht mehr geht, unterstütze ich bei der Suche nach einem Heimplatz.

Sind Sie selbst schon in diese Situation gekommen?
Mein Vater ist vor zwei Jahren nach langer schwerer Krankheit verstor­ben, wir haben ihn in den letzten Monaten intensiv gepflegt. Den Konflikt »zu Hause pflegen oder ins Heim geben« habe ich selbst erlebt. Irgendwann war die Belastung zu groß, und wir haben einen Heimplatz gesucht. Am Tag, als wir die Zusage bekamen, starb mein Vater. Es fällt nicht leicht, einen Angehörigen ins Heim zu geben. Aber Fakt ist: Die häufigste Ursache für psychische und physische Erkrankungen ist die Pflege von Angehörigen. (Eva Richter)

Was gibt es wo?

Umfangreiche Informationen rund um das Älterwerden und Pflege enthält der Seniorenwegweiser, der kostenlos bei der Stadt Rösrath erhältlich ist.

Zu den Leistungen der Pflegeversicherung gibt es seit Anfang des Jahres neue Bestimmungen. Info unter: www.bundesgesundheitsministerium.de

Die Pflegeeinrichtung Haus Kleineichen hat eine Broschüre mit Mustervordrucken zum Thema Vorsorgevollmacht – Betreuungsverfügung – Patientenverfügung herausgegeben. Die Info kann als PDF kostenlos über www.hauskleineichen.de heruntergeladen werden.

Birgit Weitkemper, Pflege- und Seniorenberaterin der Stadt Rösrath, Telefon 02205 802 226