Ukraine-Flüchtlinge

eine Bestandsaufnahme

Ukraine-Flüchtlinge

Ich habe gezittert. Habe dann unsere Sachen gepackt und wir sind los – es wäre gefährlich gewesen, dort zu bleiben, da in der Nähe unseres Wohnhauses militärische Einrichtungen sind.«

Makarenko ist 34 Jahre, Lehrerin für Deutsch und Englisch, und lebte bis vor Kurzem mit ihrer Familie in Krywyj Rih, der Geburtsstadt des ukraini­schen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, im Südosten des Landes. Seit dem 18. März wohnt sie mit ihren beiden Söhnen Maksym und Yehor in Rösrath. Ihr Mann kämpft in der ukrainischen Armee, ihre Eltern leben im Donbass. Sie erzählt: »Wir sind damals zunächst einige Tage bei Bekannten in der Innenstadt untergekommen. Dann rief ein Freund an und sagte ‚Die Russen sind auf dem Weg nach Krywyj Rih, du hast zwei Stunden‘. Wir sind dann mit meiner Schwester und deren Tochter mit dem Auto in die nächste größere Stadt gefahren und von dort drei Tage mit dem Bus in den Westen.«

28. Februar, Rösrath
Vier Tage nach der russischen Invasion findet am Rosenmontag am Kriegerdenkmal der Stadt auf Initiative des Rösrathers Hardy Schumacher eine Mahnwache statt. Rund 250 Menschen kommen.

5. März, Rösrath
Wenige Tage später macht sich der Rösrather Sascha Meurer von Meurer Touristik mit einigen Mitstreitern auf den Weg nach Osten an die polnisch-ukrainische Grenze – den Bus bis obenhin vollgepackt mit eilends gesam­melten Hilfsgütern. »Die Initiative zur Sammlung ging von Mayra Wind­bergs und David Spenlen aus Forsbach aus. Wir haben dafür Lagerflächen zur Verfügung gestellt und mit Transportfahrten und Paletten unterstützt«, berichtet Nils Wagner von der Sanitärtechnikfirma Jörn Wagner. »Es kam so viel an Spenden herein, dass wir nach der ersten Fahrt noch rund 18 Paletten voll mit Hilfsgütern hatten. Die sind dann beim nächsten Transport mit.« Auf der Rückreise nimmt Sascha Meurer einige Dutzend Ukraine-Flüchtlinge mit, die in unterschiedlichen Städten entlang der Route aussteigen. Weitere »Bus-Brücken« folgen in den Wochen darauf, insgesamt rund 150 Menschen nimmt der Busunternehmer an der Grenze auf.

5. März, Rösrath
Beim ökumenischen Friedensgebet in Rösrath ist die Versöhnungskirche voll – die Anteilnahme ist groß, ebenso die Spendenbereitschaft.

Bei der Stadt Rösrath laufen inzwischen die Drähte heiß. Neue Flüchtlinge kommen! Abläufe müs­sen mit anderen Behörden geklärt, Unterkünfte und Dolmetscher gefunden werden. Via Facebook und auf der Homepage bemüht sich die Verwaltung um zeitnahe Information – und wird schier überrollt von den Hilfsangeboten aus der Bevölkerung.

Gerade richtig kommt da das Angebot des Rösrather Hotels »Zimmer for you« an die Stadt, Räume für die Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. »Wir waren total geschockt von den Geschehnissen in der Ukraine und wollten unbedingt helfen«, so Inhaberin Kerstin Szabo. Binnen weniger Tage verwandelt sich ein Großteil des Hotels in eine Flüchtlingsunterkunft, der Tagungsraum wird mit Tischen und Regalen zum Aufenthaltsraum und Spielzimmer umfunktioniert.

7. März, Rösrath
Die ersten Flüchtlinge treffen im Hotel ein, zeitweise sind mehr als 30 Personen gleichzeitig dort untergebracht. Frühstück erhalten sie im Hotel, mittags liefert ein Caterer warme Mahlzeiten, daneben erhalten die geflüchteten Menschen finanzielle Unterstützung durch die Stadt. Die Verständigung erfolgt überwiegend mit Händen, Füßen und dem Google-Übersetzer. »Das klappt eigentlich ganz gut, auch wenn es natürlich viel Informations- und Erklärungsbedarf gab und gibt«, meint Szabo, die problemlos von der Rolle der Hotelinhaberin in die der Herbergsmutter gerutscht ist. Immer wieder kommt auch Hilfe von außen. Viele engagierte Rösrather bringen Getränke, Süßigkeiten, Kleidung, Bastelmaterial, gebrauchte Fahrräder und Buggys vorbei, fahren mit den Geflüchteten zur Kleiderkammer. Aus den Spenden vom Friedensgebet wird eine Waschmaschine samt Trockner gekauft.

Anfang März, Italien
Die Ukrainerin Makarenko ist derweil mit ihren Kindern bei Verwandten in Norditalien angekommen. »Ich wollte aber weiter nach Deutschland – weil ich die Sprache beherrsche, aber auch, weil ich in Köln vor zehn Jahren ein Jahr lang als Au-pair gewohnt habe.« Im Zug nach München erfährt sie dann vom Wohnungsangebot von Alexander und Rudolf Haas.

Wie so viele Menschen wollen auch die Hoffnungsthaler unbedingt helfen. »Es wurden ja dringend Unterkünfte für Flüchtlinge gesucht – und bei uns war gerade eine Wohnung frei geworden.« Sein spontanes Angebot fand zunächst kein Gehör. »Die Stadt Rösrath verwies mich an den Kreis, der leitete mich an die Stadt Bergisch Gladbach weiter. Meine E-Mail dorthin blieb allerdings bis heute unbeantwortet.« Der Kontakt zu Makarenko kommt letztlich über einen ukrainischen Nachbarn von Alex­ander Haas zustande. »Dann ging alles ganz schnell.

17. März, Rösrath
Der Nachbar ruft an und sagt, dass am nächsten Tag eine Frau mit zwei Kindern komme. Die Wohnung war zu dem Zeitpunkt noch unmöbliert. Mit Hilfe von Nachbarn, Freunden und via Facebook haben wir es dann geschafft, sie schnell noch mit dem Nötigsten auszustatten«, erzählt er.

Nächster Akt. Einen Termin im Bürgerbüro machen, um die Familie zu registrieren. »Über die Online-Ver­gabe gestaltete sich das schwierig, ich habe tagelang die Termine gecheckt, nie war etwas frei.« Schließlich ging Haas mit seinen Schützlingen persönlich dort vorbei und wurde nett empfangen, ebenso beim Sozialamt. Die Ausländerbehörde zu erreichen war telefonisch nicht möglich, nur per Mail, zu einem Termin kam es dann Ende April.

»Als Nächstes ging es um die Aufnahme der Kinder in Kita und Grundschule. Maksym wird im Juli drei Jahre, Yehor ist zehn.« Auch diese Hürde wurde genommen, seit den Osterferien geht der Ältere in die Grundschule Hoffnungsthal und spielt Fußball beim TV Hoffnungsthal, der Kleine ist stundenweise bei einer Tagesmutter. Mutter Makarenko arbei­tet ehrenamtlich an der GGS Hoffnungsthal.

Im Mai, Rösrath
36 ukrainische Kinder gehen derzeit (Stand Anfang Mai) auf Rösrather Schulen. 19 in die Grundschulen, 17 in die weiterführenden, davon 15 in die Internationale Willkommensklasse des Gymnasiums und zwei in die Gesamtschule – keine kleine Herausforderung. Dennoch, »bei uns herrscht eine herzliche Offenheit«, beschreibt Marie-Therese Zimmermann, Lehrerin am FvS-Gymnasium, die Stimmung bei Schülern und Kollegium. So hat die Schülerverwaltung eine Willkommensfeier für die Neuankömmlinge und ihre Familien veranstaltet, die Lehrerschaft sammelte für die Ausstattung mit Schulmaterialien.

Schwieriger stellt sich die Situa­tion derzeit für die Tafel Rösrath dar. Normalerweise nehmen pro Woche rund 90 Menschen für sich und ihre Angehörigen das Lebensmittelangebot in Anspruch. »In den letzten Wochen haben wir jedoch 50 weitere Kunden bekommen – Flüchtlinge aus der Ukraine, aber auch Rösrather, die wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht mehr zurande kommen«, so Tafel-Vorsitzende Doro­thee Gorn. Zwar gebe es noch genug Lebensmittel, anders als bei Tafeln in anderen Städten. Jedoch – »wir kommen bei der Manpower an unsere Grenzen«. Außerdem machen die explodierenden Strom- und Benzinkosten auch der Tafel zu schaffen. Über Spenden würde sich der Verein daher freuen. (ER)

Informationen der Stadt Rösrath

www.roesrath.de/informationen-fuer-ukraine-fluechtlinge.aspx
Infoabend für ehrenamtliche Helfer
Für den 22. Juni ist eine Informationsveranstaltung zum Thema »Ehrenamtliches Engagement für Geflüchtete aus Kriegsgebieten« geplant. Augustinushaus Rösrath, Hauptstraße 70, von 8.30 bis 20.30 Uhr.
Anmeldung per mail bei Elke Günzel, elke.guenzel(at)roesrath.de 

Treffen für Menschen aller Nationen

Begegnungscafé im Juze
Bensberger Straße 43, dienstags 16 bis 18 Uhr, Info: Monika Zeckai, Telefon 86215 monika.zeckai(at)katholische-kirche-roesrath.de
Treffpunkt Hoffnungsthal Christliche Gemeinde, Bergische Landstraße 76, donnerstags von 14 bis 17 Uhr
Info: Erich Hochstein, Telefon 4548 erich.hochstein(at)web.de

Die Tafel Rösrath unterstützt Menschen in der Ukraine

Dafür werden Sachspenden gesammelt, die dann an Gruppen weitergegeben werden, die einen Konvoi organisieren. Benötigt werden besonders: Trockenhefe, Mehl, Sonnenblumenöl, haltbare Lebensmittel, Lebensmittel, die nicht gekocht werden müssen, Verbandsmittel, auch abgelaufene Verbandskästen, Hygieneartikel,Taschenlampen, Batterien, aufgeladene Powerbanks.
Bitte keine Kleidung!
Angenommen werden die Spenden an der Tafel Rösrath, Ahornweg 8, mittwochs und samstags, 14 bis 16 Uhr. Auch finanzielle Unterstützung ist sehr willkommen.
VR-Bank Bergisch-Gladbach-Leverkusen
IBAN: DE74 3706 2600 4014 2270 11
Kreissparkasse Köln
IBAN: DE94 3705 0299 0326 5656 14