Historisches Industriegelände mit Zukunftsperspektive

Am Hammer

Historisches Industriegelände mit Zukunftsperspektive

Wer von der Hoffnungsthaler Hauptstraße in das Areal »Am Hammer« abbiegt, taucht in die Vergangenheit ein. Der im Original erhaltene Kran zieht erste Blicke auf sich, rechts am Straßenrand thront die prachtvoll restaurierte, in rosé gehaltene Fabrikantenvilla. Neben der Eingangstreppe steht das Wahrzeichen des Areals, ein Hammer aus schwerem Stahl. Rund um das Villengelände kann man weitere Fabrikrelikte entdecken, darunter drei Antriebsräder mit bis zu 180 Zentimeter Durchmesser. Alte Backsteinfassaden der Fabrik verbinden sich geschickt mit modernen Architekturelementen und bilden eine optische Einheit, in der funktionale Praxis- und Büroeinheiten untergebracht sind. Jüngstes Projekt auf dem Hammer-Gelände ist der Bau neuer Komfort-Wohnungen mit Blick in die Natur, die im Herbst 2014 bezugsfertig sein sollen.

Dass Strukturwandel und Stadtentwicklung »Am Hammer« gelungen sind, ist nicht zuletzt Béatrice Naus-Kurschildgen und ihrem Mann Heiner Kurschildgen zu verdanken, die sich 1989 in die verlassene Villa verliebten und sich seither mit großem Engagement, Know-how und finanziellem Einsatz für den »Hammer« stark gemacht haben. Mit dem Kauf und der Sanierung der alten Reusch-Villa Anfang der 90er-Jahre und dem späteren Erwerb des angrenzenden Fabrikgeländes setzten die aus Belgien stammende Grafikerin und der Lithograf aus Bergisch Gladbach den Grundstein für die Bewahrung des historischen Vermächtnisses.

»Wir sind sehr glücklich, dass unsere Nachbarn bisher das gleiche Gespür, die gleiche Liebe und Begeisterung für das Historische dieses Ortes haben«, freut sich Naus. Sie war und ist Motor des nach wie vor wachsenden Areals und sorgt gemeinsam mit Silke Oepen, die seit vier Jahren Inhaberin der Werbeagentur b. naus ist, auch für das menschliche Miteinander und regelmäßigen Informationsaustausch der am »Hammer« ansässigen Unternehmen.

Hammer-Geschichte
Die Geschichte des »Hammers« beginnt bereits im 18. Jahrhundert, als Kaufmann Rudolf Philipp Boullé ein Eisenhammerwerk errichten ließ. 1816 wurde das Hammerwerk von der Fabrikantenfamilie Reusch übernommen, die den Betrieb später in ein Blechwalzwerk umwandelte. Mit zunehmender Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts und dem damit einhergehenden Bau von Straßen und der Eisenbahntrasse von Bensberg ins Sülztal boomte das Unternehmen. Die Kunde von Arbeit, Lohn und Brot hatte sich schnell herumgesprochen. Immer mehr Menschen kamen an den kleinen Ort mit dem urkundlich überlieferten Namen Volberg – in das sogenannte »Tal der Hoffnung«. Schließlich wurde der Ort 1898 offiziell in Hoffnungsthal umbenannt. Rund um das Werk und die Villa entstanden weitere Wohnhäuser. Den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwunges folgten Rezession, zwei Weltkriege und wirtschaftliche Strukturprobleme. Das Unternehmen Reusch konnte mit der Neuausrichtung auf den Heizungsbau ab 1948 noch einmal enorme Wirtschaftskraft entfalten. Doch schon in den letzten Jahren vor dem Konkurs 1999 lagen Villa und sämtliche Nebengebäude brach. Der Zahn der Zeit nagte an der Bausubstanz. Das Industriegebiet hätte zum Schandmal werden können, aber das Schicksal meinte es gut und hatte andere Pläne für den »Hammer«.

Auferstehung der Villa Rosé
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die Eheleute Naus-Kurschildgen zu diesem Zeitpunkt schon ihr Herz an das historische Ensemble verloren hatten. Ende der 80er-Jahre waren die beiden auf der Suche nach einem neuen, größeren Objekt, in dem sie Arbeit und Leben miteinander verbinden konnten. Dabei stießen sie auch auf das Areal »Am Hammer«. Die Designerin und ihr Mann hatten genug Fantasie, sich das marode Haus in neuem Glanz vorzustellen. Mithilfe des in Anbetracht der Schäden äußerst skeptischen Architekten Karl-Heinz Jacobs schufen sie in nur zwei Jahren eine moderne Wohn- und Arbeitswelt für Verlag und Werbeagentur in historischem Antlitz. Begeistert vom neoklassizistischen Stil ließen die beiden das alte Flair der Villa wieder aufleben: Sämtliche Böden wurden mit Eichendiele und Marmor ausgelegt, das Treppenhaus, das ebenso wie die Fassade unter Denkmalschutz steht, wurde liebevoll aufgearbeitet und fehlende Teile originalgetreu nachgedrechselt.

Auch energetisch kann sich die Villa sehen lassen: 44 Holzfenster sind doppelwandig verglast, aber in der Originalgröße erhalten geblieben. Innentüren wurden zur besseren Isolierung aufgedickt, robuste Wände sorgen für gute Isolierung. Seit 1991 wohnt und arbeitet das kreative Paar in seiner Villa Rosé. Könnte es reden, würde das Haus viele spannende Geschichten und so manches Geheimnis verraten: Nach dem Krieg war es Verwaltungsgebäude, später beherbergte es im Souterrain eine private Moschee. Auch unterirdisch birgt der »Hammer« so manches Geheimnis: So wurde im Zuge des jüngsten Bauvorhabens ein Flussarm freigelegt, dessen Wasser früher zum Antrieb der Fabrikturbine genutzt wurde.

Neue Geschichten und Gesichter
Heute schreiben auf dem Gelände neue Menschen neue Geschichten: Eine Pionierin ist Patricia Kirchner. Die Logopädin war eine der Ersten, die sich vom Naus’schen Enthusiasmus anstecken ließ und ihre Praxis im neu geschaffenen Gebäudekomplex eröffnete. In ihrem »Sprachraum« bietet Kirchner umfassende Diagnostik und Therapie zum Beispiel bei Sprachentwicklungsstörungen, Apha­sie und Dysarthrie nach Schlaganfall, Unfall oder Operation sowie Erkrankungen der Singstimme. Die Räume sind liebevoll gestaltet, antike Leuchten aus der Fabrik strahlen schon im Eingangsbereich Wärme und Ruhe aus. »Genau das Richtige für meine Arbeit mit Kindern und Erwachsenen«, so Kirchner. Auch Renate und Gerhard Kröcher fühlten sich auf Anhieb »Am Hammer« wohl. Ihre Praxis »Konzept Körper« für Physiotherapie und Wellness verbindet medizinische Heilungsansätze mit Wohlfühl-Therapien. Der Mensch und nicht die Krankheit steht hier im Mittelpunkt. »Wir nehmen uns Zeit und nutzen ein Sortiment hochwertiger, naturbelassener Produkte«, betonen Renate und Gerhard Kröcher.

Der ganzheitliche Ansatz steht auch in der Praxis von »Vita-Vitale« im Vordergrund. Hier arbeiten Gesundheitspraktikerin Sabine Tengelmann-Ossenbach und Heilpraktikerin Verena Süssmilch Hand in Hand. Süssmilch hat sich auf die traditionelle chinesische Medizin mit Akupunktur und Kräutertherapie spezialisiert, Tengelmann-Ossenbach bietet Coachings im Bereich Persönlichkeitsentwicklung, Supervision für Teams und Führungskräfte, Paar- und Familienberatung mit Trainings unter anderem bei ADHS Symptomatik. Neuestes berufliches Standbein ist die »Kita Bildungsakademie«, die sie mit ihrem Mann Achim Ossenbach gegründet hat. »Wir bilden Menschen weiter, die im pädagogischen Bereich arbeiten«, erklärt Tengelmann-Ossenbach, »zum Beispiel Erzieher, Grundschullehrer und Betreuungspersonal in Ganztagsschulen zu Themen wie Inklusion, Kommunikation, Elternarbeit, Organisation und Teampflege.«

Eine neue Heimat hat auch Rechtsanwalt Frank Albert von der Ohe auf dem Areal gefunden. Von der Ohe berät zu allen Rechtsgebieten, sein Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Arbeitsrecht. Als Fachanwalt betreut von der Ohe sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.

Vor fünf Jahren bezog Dr. Martin Förmer seine große, moderne HNO-Praxis am Hammer. Der überregional bekannte Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde bietet umfassende Diagnostik und Therapien im gesamten Fachgebiet an. Auch die Kunden von Hörgeräte Lorsbach schätzen die für den »Hammer« typischen, großen, hellen Beratungs- und Behandlungsräume. Filialleiterin Dorothee Leibold und ihr Team gehen individuell auf alle Fragen rund ums gute Hören ein. Die Hörexperten beraten kostenlos und unverbindlich zu verschiedensten Hörsystemen mit Zubehör, Gehörschutz und zu allen Aspekten rund um das Thema Tinnitus.

Vom Zauber des Geländes beeindruckt, zögerte auch Alexandra Hilger-Lee keine Sekunde und ergriff 2012 die Chance, mit ihrem Ballettstudio Dance-UnLlimited an den neuen Standort zu ziehen. »Wir schulen die Musikalität, Rhythmik, Raumgefühl, koordinierte Bewegung, Teamgeist, Selbstbewusstsein, Konzentration und wir vermitteln Freude«, betont Hilger-Lee. Der neue Raum für Ballett, Jazz und Hip-Hop ist mit einem Holzschwingboden und einer großen Spiegelfront ausgestattet.

»Besucher sind erst einmal erstaunt über die wunderschöne Lage am Hammerteich«, bestätigt Architekt und Innenarchitekt Hans-Jürgen Skandella, der den Sitz seines Büros 2012 in das Loft-Office direkt neben der Villa verlegte. In stilvollem Ambiente mit hohen und offen gestalteten Räumen entwirft und plant er maßgeschneiderte Entwürfe für den Außen- und Innenbereich.

Kreatives Zentrum des Wohn- und Gewerbegebietes ist die »Villa Rosé«, Sitz der Werbeagentur b.naus. Neben klassischem Grafikdesign ist das Untenehmen auf Digital- und Großformatdruck spezialisiert inklusive Verarbeitung vor Ort. Von Klein- bis Großauflagen wird hier alles aus einer Hand geboten. »Ich kann mir keinen idyllischeren Ort zum Arbeiten vorstellen«, schwärmt Inhaberin Silke Oepen, die bei der Werbeagentur schon eingestiegen ist, »als man außer den Gänsen und uns niemanden schnattern hörte«. »Am Hammer« gibt es nicht nur schützenswertes Gemäuer, ergänzt Béatrice Naus, »der Teich und die Uferwiesen sind ein einmaliges Biotop, in dem neben Haubentauchern, Fischreihern und Kanadagänsen auch der unter Artenschutz stehende, schillernde Eisvogel ein Zuhause gefunden hat«.

Der Hammer – ein gutes Pflaster für kreatives Arbeiten und schönes Wohnen, finden die beiden Powerfrauen – und das soll auch in Zukunft so bleiben. (Petra Stoll-Hennen)