Weniger Schwerlastverkehr und Tempo 30

Verkehr

Weniger Schwerlastverkehr und Tempo 30

»Wir sind 2020 aus einem privaten Kreis von Nachbarn und Freunden entstanden«, erzählt Michael Lambrecht, Gründungsmit­glied von ZLR. Vor der Kommunalwahl habe man viel miteinander diskutiert und sei schließlich zu der Einsicht gelangt, »dass Veränderungen nur anstoßen kann, wer sich selbst engagiert«. Von der Gründung im Mai bis zur Wahl im September blieben nur fünf Monate. Die Teilnahme als Wählervereinigung glückte dank professioneller Unterstützung durch die Wahlleitung der Stadt Rösrath, lobt Lambrecht. Schnell waren die Themenschwerpunkte gesetzt­: Bürgerbeteiligung stärken, umweltfreundliche Mobilitäts- und Verkehrskonzepte entwic­keln, digitale Infrastruktur und Bildung verbessern sowie klima- und sozialverträglicher Städtebau. »Bei uns gibt es keine parteipolitisch vorgegebenen Positionen«, betont ZLR-Mitglied Christian Oestreich. Ziel ist es, sachorientiert und unabhängig Themen aufzugreifen, Denkanstöße zu geben und Lösungen zu finden. »Unsere Haltung ist von sozial-liberalen und ökologisch orientierten Grundwerten geprägt«, beschreibt Lambrecht. Am Diskutieren und internen Ringen habe sich auch nach dem Einstieg in das politische Tagesgeschäft nichts geändert und »das ist auch gut so«, betonen die beiden.

Einig war man sich von Beginn an bei den zentralen ZLR-Forder­ungen nach Tempo 30 in Innenstädten, der Reduzierung des Schwerlastverkehrs und der Notwendigkeit eines ökologisch orientierten Leitbildes beim Städtebau. »Wir müssen die aktuellen Mobilitätskonzepte überdenken«, mahnt Lambrecht. Dazu gehöre auch, langfristig Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet einzuführen. Die Vorteile werden derzeit in zahlreichen Modellversuchen validiert, erste Ergebnisse sprechen für sich. »Eine Verringerung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde auch auf Hauptverkehrsadern in Städten bringt nachweislich mehr Sicherheit«, betont Lambrecht. Besonders profitierten davon Kinder und Senioren. Positiv wirke sich die Entschleunigung auch auf die Lärmentwicklung aus. Nach Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg kann die Lärmemission bei einer Tempodrosselung von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde bereits halbiert werden. Dies käme in Rösrath insbesondere auf den vom Schwerlastverkehr genutzten Durchgangsstraßen zum Tragen, geben Lambrecht und Oest­reich zu bedenken. Besonders betroffen sind die gesamte Hauptstraße, Sommerberg und Bensberger Straße sowie die Sülztalstraße mit Unfallschwerpunkt Rambrücken. Als Nebeneffekt würde die Attraktivität Rösraths als Ausweichroute von überfüllten Autobahnen abnehmen und damit der CO2-Ausstoß deutlich sinken.

Mehr Entscheidungsfreiheit für Städte

In der Stadtverwaltung sieht man die vorgebrachten positiven Effekte durch­aus. Mit großer Mehrheit hat der Rat der Stadt Rösrath erst jüngst auf Antrag von ZLR beschlossen, sich der bundesweiten Initiative »Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten« anzuschließen. Die vom Deutschen Städtetag und der Agora Verkehrswende angestoßene Initiative will keine pauschalen Regelungen, sondern vielmehr die Stär­kung der Entscheidungskompetenz vor Ort. »Die Städte und Gemeinden brauchen einen neuen straßenverkehrsrechtlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologisch und baukulturell angemessene Höchstgeschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten, auch im Hauptverkehrsstraßennetz und stadtweit als neue Regelhöchstgeschwindigkeit« heißt es im Grundsatzpapier wörtlich.

Dazu müsste die Straßenverkehrsordnung geändert werden, bestätigt Sabine Ley, Leiterin des Fachbereichs Bürgerdienste, Ordnung der Stadt Rösrath, zu dem auch die Straßenverkehrsbehörde gehört. »Wir unterstützen die Ziele der Initiative«, betont Ley und fügt hinzu: »Bereits heute gilt für rund zwei Drittel aller kommunalen Nebenstraßen in Rösrath Tempo 30.« Dennoch müsse sie die Erfolgserwar­tungen dämpfen, zumindest was den Schwerlastverkehr und das Verkehrsaufkommen insgesamt betreffe. »Rösrath ist offizielle Umleitungsstrecke bei Großschadenereignissen auf der A3, im LKW- Vorrangroutennetz einge­speist und natürlich auch in jedem herkömmlichen Navigationsgerät als Ausweichroute schnell gefunden«, erläutert Ley. Hinzu komme ein stetig wachsender Ziel- und Quellverkehr von Anwohn­ern, die zur Arbeit ein- und auspendeln.

CO2 und Durchgangsverkehr reduzieren

Aussagekräftige aktuelle Zahlen zur Verkehrslast in Rösrath gibt es nicht. Die letzte offizielle Verkehrszählung fand 2015 statt, Lärm- und Feinstaubemissionen wurden nicht untersucht. »Hier besteht Nachholbedarf«, stellt Lambrecht fest. Fielen die Mes­sungen entsprechend schlecht aus, hätte man auch ohne Änderung der Straßenverkehrsordnung einen Hebel zur Temporeduktion auf Hauptverkehrs- und Durchgangsstraßen. »Die Belastung einer Straße durch einen 30-Tonner mit drei Achsen ist um den Faktor 10000 höher als bei einem Pkw«, schildert Oestreich eindringlich.

Von singulär in Rösrath durchgeführten Maßnahmen raten Ley und Christoph Herrmann, Leiter des Fachbereichs Planen, Bauen, Umwelt, Mobilität, dennoch dringend ab. »Wir verlagern die Problematik dann in die Nachbargemeinden Overath und Lohmar«, befürchtet Herrmann und bekräftigt, »Hier macht nur ein abgestimmtes Vorgehen Sinn.« Eine gute Nachricht sei immerhin, dass am Unfallschwerpunkt Rambrücken in Kürze eine stationäre Messstelle eingerichtet werde. »Denn alle Regeln sind nur so gut, wie man sie kontrollieren und sanktionieren kann.«

Ausbau barrierefreier Radwege

Dass zum Gelingen der Verkehrswende ein Umdenken in der Bevölkerung einsetzen muss, bejahen alle an der Diskussion Beteiligten. »Veränderung beginnt im Kopf, aber wir sind schon viel weiter, als manche Politiker und Amtsträger glauben«, postuliert Lambrecht. »Immer mehr Familien nutzen das Fahrrad im innerstädtischen Verkehr auch in Rösrath. Wenn es sicherer wäre, würden es noch viel mehr Menschen tun«, stellt Oestreich fest.«

ZLR weist auf gefährliche Kreuzungssituationen am Sommerberg, an der Ecke Rotdornallee und Bahnhof Hoffnungsthal und an der Supermarktausfahrt in Rösrath hin, auf plötzlich endende Wegeführungen für Radfahrer, versperrte Sichtachsen durch wuchernde Pflanzen, Mülltonnen oder Baustellen. »Wenn meine Kinder sagen, ich fahr nicht mehr auf der gefährlichen Hauptstraße, macht mich das traurig«, erzählt Oestreich. Was man brauche, seien mehr baulich abgetrennte, barrierefreie Radwege. Der Praxistest habe leider ergeben, dass Radstreifen mit Piktogrammen viel zu häufig von Autos mitgenutzt und Abstände falsch eingeschätzt würden. Auch die Stadtverwaltung registriert eine steigende Zahl an Radfahrern. »Wir bekommen zum Beispiel vermehrt Anfragen zu Abstellplätzen, auch für Lastenräder«, berichtet Ley. Die Bedingungen für den Radverkehr in Rösrath sollen schrittweise ver­bessert werden. Man arbeite daran, ein zusammenhängendes Radverkehrsnetz zu etablieren, die Umsetzung erfolge in enger Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Straßen NRW.