Norddeutsche Backsteingotik

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Norddeutsche Backsteingotik

Da die Hansestädte an der Ostseeküste in natursteinarmen Gebieten liegen, gleichzeitig aber in dieser Zeit ein Bauboom einsetzt, führt man Mitte des 12. Jahrhunderts die oberitalienische Backsteintechnik ein. Der vorhandene tonhaltige Lehm wird abgegraben, mit Wasser und Sand vermischt, in Holzformen zum Rohling verarbeitet und anschließend bei circa 1300 Grad gebrannt. Das Ergebnis ist der rote Backstein. Mit diesen Ziegeln bauen die Bürger Stadtmauern, Giebelhäuser, Wohnbauten – aber vor allem die imposanten goti­schen Gotteshäuser. Im Gegensatz zu den romanischen Vorgängerkirschen entstehen nun sakrale Bauwerke gewaltigen Ausmaßes, die ihr Vorbild in Frankreich haben und das neue Selbstbewusstsein einer reichen Hanse verkünden.

Beispiel Wismar. Sankt Nikolai, Sankt Marien und Sankt Georgen sind beeindruckende Zeugnisse dieser Stilepoche oder der »Alte Schwede«, ein um 1380 errichteter Backsteinbau mit dunklen Glasursteinen, die das ehemalige Kaufmannshaus besonders prachtvoll wirken lassen.

Beispiel Stralsund. Marien- und Nikolaikirche prägen die Silhouette der Stadt. Den schönsten Blick auf die historischen Bauwerke genießt man von der Wasserseite her. Schon die Erbauer im 13. Jahrhundert haben das bedacht, denn schließlich will man Eindruck machen. Diese Weitsicht führt Wismar und Stralsund 2002 auf die Unesco-Welterbe-Liste.

Beispiel Bad Doberan. Hier steht die Perle der norddeutschen Backsteingotik, das Münster, eine Zisterzienserkirche Ende des 13. Jahrhunderts erbaut. Rund vier Millionen Steine werden gebrannt und verbaut, eine statische Meisterleis­tung, schließlich steht die Kirche seit 700 Jahren.

Martin Heider, Kustos am Doberaner Münster, über das Besondere der Kathedrale: »Es ist die reiche mittelalterliche Ausstattung, es gibt keine Kriegszerstörung, unter den Zisterzienserkirchen einmalig in Europa. Der Hochaltar ist so alt wie die Kirche. Die Glasmalerei, das Chorgestühl, die Schränke, die Grablegungen der Landesherren, einzigartig der Kreuzaltar im Westteil der Kirche, auch die Glocke im Dachreiter ist original von 1301, circa 60 Prozent sind noch die Original-mittelalterliche Ausstattung.«

Im Mittelalter liegt das Zentrum der europäischen Wirtschaft dank der Hanse entlang der Ostseeküste. Zeugnisse von Reichtum und Macht, die uns auch heute in Erstaunen versetzen, sind die Backsteinkathedralen zwischen Lübeck und Greifswald. (Wilfried Kochner)

Info.
www.muenster-doberan.de
www.eurob.org