Von Chur bis Valposchiavo

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Von Chur bis Valposchiavo

Auf 2253 Metern über dem Meeresspiegel thront das Dach der Räthischen Bahn, das Ospizio Bernina. Die Strecke gehört zum Unesco Welterbe, also Platz nehmen und genießen. Mit den komfortablen Panoramawagen lässt sich die Schönheit der Alpen eindrucksvoll erfahren.

Beginnen muss man das Bahnabenteuer in Chur, der Hauptstadt Graubündens, die mit ihrer intakten malerischen Altstadt zur Entdeckung vieler Sehenswürdigkeiten einlädt. Kurz nach Verlassen Churs weichen die hübschen Häuser und Gässchen grünen Hügellandschaften. Doch plötzlich ändert sich die Aussicht. Der rote Zug bahnt sich nun seinen Weg durch die tief eingeschnittene Schinschlucht und erreicht über den 85 hohen Solisviadukt die schroffen Felsen und wilden Gebirgsbäche des Albulatals. Kurz vor Filisur folgt dann das spektakuläre Wahrzeichen des Bernina Express, der weltweit bekannte Landwasserviadukt, hier fährt die Bahn mitten in den Felsen hinein.

Nach gut einer Stunde erreicht der Zug Bergün. Wer das Dorf nur mit dem Zug passiert, verpasst das Beste. Also aussteigen, schauen und staunen; da sind zum Beispiel die massiven, mit filigranen Sgraffiti verzierten Engadiner Häuser oder der nahe gelegene tiefblaue Palpuognasee.

Im Bahnhofsgebäude selbst befindet sich das Bahnmuseum Albula. Ein Museum nicht nur für Bahnliebhaber. Besucher erfahren anhand originaler Exponate und multimedial-gestalteter Räume Spannendes zur Baugeschichte und zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen durch den Bau der spektakulärsten Schweizer Bahnstrecke. Es lohnt sich, in Bergün zu übernachten.

Am nächsten Morgen prägen imposante Viadukte und Kehrtunnel die Bahnstrecke bis Preda, bevor sich dann auf der anderen Seite des Albulatunnels das Engadin in seiner ganzen Pracht entfaltet. Vorbei am mondänen Sankt Moritz schraubt sich der Zug ins Oberengadin, die Gletscher der Bernina-Alpen sind zum Greifen nah. Oben beim Ospizio Bernina, dem Dach der Rhätischen Bahn, genießt man die Aussicht auf den türkisglitzernden Lago Bianco und den dunkelschillernden Lej Nair. Doch das Spektakuläre kommt noch. Die aussichtsreiche Alp Grüm ist das einzige Restaurant und Hotel, das nur mit der Bahn erreicht werden kann. Der Zug hält und gibt den Blick frei auf den mächtigen Palügletscher und auf das gesamte Poschiavo, eine Landschaft für den perfekten Schnappschuss.

Nach dem Fotostopp erreicht der Zug Cavaglia, unbedingt aussteigen und speisen im Ristorante Stazione Cavaglia, einem charmanten kleinen Berggasthaus. Vor der Weiterfahrt mit dem nächsten Zug lohnt der Besuch des Gletschergartens Cavaglia mit dem neuen Schluchtweg. Hier hat das Schmelzwasser des Palügletschers am Ende der letzten Eiszeit bis zu 14 Meter tiefe kreisrunde Löcher, sogenannte Gletschertöpfe, in den Felsen gebohrt. Über einen Lehrpfad mit Brücken- und Treppenelementen ist die beeindruckende Schlucht komplett begehbar.

Nach so viel rauem Charme des Hochgebirges genießt man die letzten 30 Minuten im Bernina Express, wenn der Zug sich in weiten Kurven von Cavaglia nach Poschiavo hinunterwindet. Auch hier lohnt eine Übernachtung.

Bei einem geführten Spazier­gang durch den Borgo von Poschiavo erfährt man viel zur Geschichte der Stadt. Die Reformation, die Auswanderung der Zuckerbäcker und ihre Rückkehr, der deutsche Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer, der gut 30 Jahre bis zu seinem Tod 1991 hier gelebt hat, sind nur einige Themen. Von Poschiavo fährt man entweder noch weiter bis Tirano oder zurück nach Chur. Eine Fahrt mit dem Bernina Express gehört nicht nur ins Pflichtprogramm aller Bahnliebhaber – Naturbegeisterte und Kulturinteressierte kommen garantiert auf ihre Kosten. (Wilfried Kochner)

INFO. www.graubuenden.ch