Im Spiegel der Kamera von Fritz Zapp

Ein halbes Jahrhundert

Im Spiegel der Kamera von Fritz Zapp

Der Facettenreichtum der Fotos verblüffte die Autoren ebenso wie die Experten des Rheinischen Bildarchivs in Köln. Nichts scheint dem Fotografen entgangen zu sein: weder die bäuerliche Idylle des Bergischen Landes noch die stolzen Fassaden der aufstrebenden Großstadt Köln zu Anfang des 20. Jahrhunderts, die ersten Autos und die neuen Eisenbahnstrecken, Ausstellungen und Freizeitvergnügen, Krankenhäuser und Industrieanlagen. In fast allen seinen Fotos sind es aber die Menschen, die er wie ein Regisseur in die Bildkompositionen einfügt und die die Bilder so lebendig wirken lassen.

»Was 1914 verlorenging«, damit beschäftigt sich der erste Teil des Buches. Gemeint sind die enormen Entwicklungen und Fortschritte, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu beobachten sind. Die Fotos zeichnen ein völlig anderes Bild von der »Kaiserzeit«, wie sie uns zum Teil im Schulunterricht begegnet ist: Die Vorstellung von einer verstaubten, statischen und rückwärts gewandten Zeit müssen wir angesichts der Fotografien von Fritz Zapp ersetzen durch Bilder einer sich rasch entwickelnden Gesellschaft, die bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg in die Moderne aufbrach und in fast allen Bereichen – ob Architektur, Mode, Technik, Medien, Verkehrsmittel, Kunst, Ausstellungen, Freizeitaktivitäten – all das hervorbrachte, was uns bis ins 21. Jahrhundert prägt. Wir erfahren vom Wirken der großen Kölner Architekten Pflaume, Müller-Erkelenz und Brantzky in Köln wie in Rösrath, von Ausstellungen am Rhein, die auch das Bergische Land beeinflussen, das soeben per Eisenbahnnetz an »die weite Welt« angeschlossen wird. Nebenher erfahren wir auch etwas von der Mode der Zeit, vom wachsenden Selbstbewusstsein der Frauen, von der üppigen Ausstattung der bürgerlichen Salons.

Umso deutlicher wird die Zäsur sichtbar, die der Erste Weltkrieg und die folgenden Katastrophen mit sich bringen: »Wie zwei Kriege die Welt verändern«, davon erzählt der zweite Teil des Buches. Wir erleben Fritz Zapp und seine Brüder als Kriegsteilnehmer in Belgien, Frankreich und Polen, wenn auch fernab vom Schlachtengetümmel der Fronten, und erfahren von der Besatzungszeit in Rösrath und Umgebung, in der Fritz Zapp wie bereits im Krieg als Fahrer und Fotograf unterwegs ist. Kaum haben sich die Menschen im Sülztal von den Entbehrungen ein wenig erholt, zieht mit der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg neues Ungemach auf. Diesmal verfolgen wir die Schicksale der Söhne an den Fronten, aber auch die der Töchter und der in der Heimat leidenden Bevölkerung. Immerhin eine späte Genugtuung: Hunderten von Zwangsarbeitern in der Gemeinde Rösrath gibt Fritz Zapp ein Gesicht durch die Passfotos, die in der Sammlung entdeckt wurden. Mit Bildern aus den ersten zehn Nachkriegsjahren endet die fotografische Zeitreise, Wiederaufbau und beginnendes Wirtschaftswunder sind die letzten Themen.

Das neue Buch ist jedoch keineswegs nur ein »Bilderbuch«: Professor Michael Werling, Gebhard Aders, ehemaliger Archivleiter Köln-Porz, und die Historikerin Gabriele Emrich waren an den Texten ebenso beteiligt wie andere Mitarbeiter des Geschichtsvereins Rösrath. Robert Wagner

Ein halbes Jahrhundert im Spiegel der Kamera von Fritz Zapp aus Hoffnungsthal 1904 - 1954.
Band 44 der Schriftenreihe des Geschichtsvereins Rösrath erscheint im November und ist beim Geschichtsverein sowie beim Rösrather Buchhandel zum Preis von  19,99 Euro erhältlich.