»Wenn ich nicht Geige spiele, bin ich nicht ich«

Timothy Jones

»Wenn ich nicht Geige spiele, bin ich nicht ich«

So packte Jones kurzer­hand Rucksack und Geige und landete mit ein paar Groschen von seinem Großvater und einer, wie er in perfektem Deutsch formuliert, »brennenden Neu­gierde auf die deutsche Kultur« in Köln. Und obwohl die Frist für die Aufnahme­prüfung an der Kölner Musikhochschule abgelaufen war, durfte er bei Saschko Gavrilov vorspielen und wurde angenommen. Vermutlich war es sein »Talent zum Fleiß«, das überzeugte.

Seit dem zwölften Lebensjahr übt Jones unermüdlich das Spiel auf vier Saiten. »Wenn mein australischer Lehrer ein Stück hören wollte, kam ich mit drei«, beschreibt er seine Hingabe. Mit der »kleinen Nachtmusik von Mozart« groß geworden, sind Symphonieklänge für Jones »Sympathie-Musik«. Er studiert Violine in Adelaide und geht für weitere Studien nach Melbourne. Dort kommt die unglückliche Liebe dazwischen und das neue Leben in Deutschland ins Spiel.

Dass er »hier hängen bleiben würde«, hätte er nie gedacht, ob­wohl ihm als Mensch die deutsche Tiefgründigkeit sehr ent­ge­gen­kommt. Wieder ist es eine Herzensangelegenheit: Zur musikalischen Erfüllung gesellt sich die Liebe zu einer deutschen Frau. Jones nimmt die Stelle als Erster Geiger im Remscheider Symphonieorchester an, gründet eine Familie und zieht 1998 nach Rösrath. Ein zweites berufliches Standbein findet er als Redakteur bei der Deutschen Welle. »Diese Arbeit ermöglicht es mir bis heute, meinen musikalischen Traum zu leben.«

Ganz allmählich mogelt sich der Künstler aus dem Orchester hinaus und genießt seine Freiheit als Geiger in vollen Zügen. Seit 1999 spielt er als freischaffender Kammermusiker, über ein Jahrzehnt ist er mit dem Trio Anditi auf Tour, aktuell musiziert er mit unterschiedlichsten Partnern wie den Pianistinnen Iris von Zahn aus Köln und Renate Dietz aus Rösrath. Zu seinem Repertoire gehören neben Klassikern wie Beethoven, Mozart, Schubert und Haydn auch Tango- und Jazzstücke sowie Eigenkompositionen.

»Musikpartner müssen ein Stück im Gleichklang interpretieren, ohne Worte spüren, wo der jeweils andere sich Zeit nehmen möchte oder wo er Tempo macht«, erklärt er die Herausforderung und schwärmt: »Wenn es gelingt, ein Stück in völliger Symbiose zu präsentieren, schwingt ein Zauber mit, der auch das Publikum erfasst.« Vor jedem Auftritt feilt er akribisch an der Technik. »Ich muss ein Stück vollkommen beherrschen«, so sein Anspruch. Noch heute spielt er die Tonleiter zur Einstimmung rauf und runter, »das ist wie Meditation«.

Immer an seiner Seite die 1990 gebaute brasilianische Geige, die er von Norbert Brainin, dem britisch-österreichischen Violinisten und Leiter des Amadeus-Quartetts überneh­men konnte. »Die 11000 D-Mark durfte ich abstottern«, erinnert sich Jones. »Ihre tiefe Resonanz, die bratschige Anmutung und der weiche, warme Klang passen perfekt zu mir.« Mehr als 40 Flüge nach Aus­tralien haben die beiden unversehrt überstanden, die Zerrissenheit zwischen Heimat und Zuhause immer mit im Gepäck. (Petra Stoll-Hennen)

Info. Life erleben kann man Timothy Jones beim Konzert von Kultur unterwegs am 15. Juni um 19.30 Uhr
Hoffnungsthaler Straße 45 in Forsbach. Karten telefonisch unter 02205 84728 www.kultur-unterwegs.org