Hannelore Furch

Rösrath liest

Hannelore Furch

Von Igelgeschichten über Kästners Emil und die Detektive in ihrer Kindheit arbeitete sie sich als Erwachsene zur Welt der großen Literatur vor, zu Fontanes Irrungen, Wirrungen beispielsweise. Was Hannelore Furch an diesem Roman fesselte? Die Darstellung der gegensätzlichen gesellschaftlichen Schichten und die inneren und äußeren Konflikte, die daraus entstehen. Diese gesellschaftspolitischen Aspekte findet sie noch heute spannend, und sie spielen auch in dem Buch, das sie vorstellen will, eine Rolle. Doch dazu später.

Literatur wurde zu Hannelore Furchs Profession. Als promovierte Germanistin beschäftigte sie sich mit Erzähltheorien und Erzählforschung. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Rösrath und ist Mitbegründerin der Literatenvereinigung Gruppe 48. Wenn sie nicht den kühlen analytischen Blick der Wissenschaftlerin auf einen Text richtet, liest sie aus purem Genuss. »Lesen ist für mich dann Erholung und Entspannung«, sagt sie, die vorzugsweise im Bett bis tief in die Nacht hinein schmökert. Nur eine Leselampe sorgt für einen Lichtstrahl inmitten der Dunkelheit »und dann tauche ich in diese Welt ein, die mir das Buch eröffnet«.

In ihrem Geburtsjahr 1946 erschien ein Roman, der den gesellschaftlichen Mikrokosmos von New Orleans und Umgebung zum Leben erweckt. „Die Jazz-Metropole ist eine Art Sehnsuchtsort für mich«, sagt Furch. Der Zeitraum ist vor und unmittelbar nach dem Sezessionskrieg zwischen den Südstaaten und dem Norden, er umfasst 40 Jahre (1825 bis 1865) und zwei Generationen. Eine Welt zu Füßen heißt dieses Epos, mit dem Frank Yerby als erster afroamerikanischer Autor einen Best­seller landete.

»Erzählt wird eine Art Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte«, erklärt Hannelore Furch. »Der Held ist nicht ein Sklave, sondern ein weißer Ire namens Stephen Fox, der zu einem Gegenpart der Südstaaten-Oberschicht mit ihrem Standes­dünkel und Rassismus wird. Diese Figur hat mich zutiefst berührt, weil sie das moralische Dilemma und die Ambivalenz mit Blick auf die schwarzen Sklaven zeigt.« Fox sucht als irischer Auswanderer in Louisiana sein Glück. Er gewinnt im Kartenspiel eine wertvolle Perle, erwirbt eine Plan­tage, vermehrt mithilfe schwarzer Sklaven sein Vermögen, verschafft sich Zutritt zu den vornehmsten Kreisen in und um New Orleans, heiratet die reiche Kreolin Odalie, bekommt mir ihr zwei Kinder, heiratet nach ihrem Tod Odalies Schwester, fühlt sich auch zu einer Mulattin hingezogen, gerät über die Sklavenfrage in Konflikt mit der Gesellschaft und auch mit seinem Sohn. Am Ende stehen ein verlorener Krieg und »eine Gesellschaft, die untergegangen ist, weil sie nicht kapiert hatte, dass sie so nicht weitermachen kann«.

Der Afroamerikaner Yerby benutzt dabei zwar alle Zutaten einer klassischen Südstaaten-Saga und erarbeitete sich so eine große Leserschaft, unterläuft aber an einigen Stellen die Regeln. Denn gerade die afroamerikanischen Sklaven werden sehr differenziert gezeichnet und haben nicht nur Nebenrollen. So hat die Sklavin Caleen enormen Einfluss auf Stephen Fox und seine Handlungen. »Wir besitzen uns gegenseitig«, sagt sie an einer Stelle des Romans. »Eine Welt zu Füßen ist dabei äußerst spannend geschrieben und geht einem sehr nahe«, urteilt Hannelore Furch. »Die Geschichte zeigt, das alles, was auf Rassismus beruht, auf Dauer nicht gut gehen kann. Unterdrückte schlagen irgendwann gegen ihre Unterdrücker zurück.« (Sigrun Stroncik)

Frank Yerby
Eine Welt zu Füßen
Der 1946 erschienene Roman ist nur im Antiquariat erhältlich.