Friederike Patscha

RÖSRATH liest

Friederike Patscha

Durch die Mutter lernte Patscha auch früh den britischen Autor Roald Dahl schätzen, der so erfolgreiche Kinderbücher wie Matilda, Sophiechen und der Riese oder Charlie und die Schokoladenfabrik geschrieben hatte – Klassiker, die immer auch etwas Skurriles, Ruppiges, Wüstes, Fantastisches und Unberechenbares haben.

Das Lesen ist für Friederike Patscha damals wie heute die Möglichkeit, in eine andere Welt abzutauchen, diese in ihrem Kopf weiterzuentwickeln, sich in fremde Situa­tionen hineinzuversetzen und dabei die eigene Empathiefähigkeit zu stärken. »Durch fiktive Ge­schichten mit realem Hintergrund erfahre ich oft mehr zu einem Thema als über ein Sachbuch«, ist Patscha überzeugt. Bücher, die ihr etwas bedeuten, nimmt sie immer wieder zur Hand. Dadurch entwickelt sie oft ein neues Verständnis für die Figuren, so geschehen bei Jane Eyre von Charlotte Bronte. »Als Jugendliche fand ich es merk­würdig, dass jemand wie Jane zugleich schüchtern und trotzdem mutig sein kann. Heute verstehe ich das.«

Mehrmals gelesen hat Patscha auch die Romane des US-Amerikaners John Irving. 1978 erschien von ihm Garp und wie er die Welt sah. Das 840 Seiten starke Werk, das Irving damals schlagartig berühmte machte, stellt Friederike Patscha vor. »Hauptfigur ist T.S. Garp, das uneheliche Kind der Krankenschwester Jenny Fields. Die will unbedingt Nachwuchs, aber keinen Mann und hat deshalb Sex mit einem hirnverletzten Soldaten, der davon gar nichts mitbekommt.« Der Junge, der auf so ungewöhnliche Art gezeugt wird, eben jener Garp, wächst in Neuengland unter dem Einfluss seiner mehr als außergewöhnlichen Mutter heran, die eine Autobiografie schreibt und daraufhin »zur Ikone der Frauenbewegung wird«. Auch Garp hat als Schriftsteller zunächst Erfolg, heiratet die Literaturprofessorin Helen, bekommt mit ihr zwei Kinder, er wird Hausmann, beide haben Affären. »Durch einen dramatischen Unfall stirbt der jüngste Sohn«, erzählt Patscha weiter. Später fällt Garps Mutter einem Mordanschlag zum Opfer. Garp führt ihre Stiftung zur Unterstützung unterdrückter und benachteiligter Frauen weiter. Er veröffentlicht seinen zweiten Roman und wird von einer Feministin ermordet, die ihn fälschlicherweise für den Tod ihrer Schwester verantwortlich macht.

»Diesen Roman habe ich bereits vier Mal gelesen. Beim ersten Mal war ich aber viel zu jung. Die Lebensentscheidungen der Charaktere waren mir damals suspekt.« Irving verarbeitet in »Garp und wie er die Welt sah« große Themen wie Liebe, Sexualität, sexuelle Gewalt, Feminis­mus, Extremismus und Transse­xualität – die Freundin von Garps Mutter ist eine Transsexuelle, die vor ihrer OP ein bekannter Football­spieler war. »Dabei vereint er das

Komische und Skurrile, das Dramatische und Absurde zu einer großen Gesellschafts­kritik. Was ich an ihm dabei besonders schätze – dass er weit ausholt und sich für die Entwicklung seiner Figuren enorm viel Zeit nimmt«, so Patscha. In einem Interview bekannte John Irving einmal: »Meine Bücher sind im Grunde eine Variation des letzten Satzes meines Garp-Romans. »Aber in der Welt, wie Garp sie sah, sind wir alle unheilbare Fälle.« Irving schließt daraus: »Das bedeutet aber nicht, dass du im Leben nichts zu lachen hättest – kurz bevor dich ein Auto überfährt.« (Sigrun Stroncik)