Montagabend im Juze …

Wir sind Rösrath

Montagabend im Juze …

Bereits als Kinder haben die drei jungen Männer die Angebote der Jugendfreizeitstätte genutzt und sind auf diese Weise auch in die ehrenamtliche Arbeit mit Stadtranderholung und Zirkusprojekt hineingewachsen. Laura hilft seit vergangenem Jahr mit. Für die vier ist das Juze ein wichtiger Bezugspunkt in der Stadt. Für Nadir ist es sogar eine zweite Familie. »Ich bin immer willkommen, treffe Leute, habe Spaß«, sagt er.

An die Kindheit in Rösrath erinnern sie sich alle gern zurück. Vielleicht, weil sie weniger verhäuslicht war als in der Großstadt, mit mehr Selbstbestimmung und Bewegungsfreiheit zumindest im Nahbereich. »Hier gab und gibt es keine gefährliche Nachbarschaft, zudem genug Spielplätze und viel Natur«, so Nadir. »Meine Eltern wollten immer wissen, wohin ich gehe, aber dann konnte ich das auch allein machen«, ergänzt Laura. Es gibt genügend Sportvereine – »ich habe, seit ich klein bin, alle möglichen Sportarten ausprobiert«, erzählt Raphael – zur Schule konnten sie meist zu Fuß gehen und auf der Straße trafen sie immer einen, den sie kannten. Nur den Zustand der Schulgebäude, den fanden sie schon immer höchst bedauerlich. »Angeranzte Räume mit schimmeligen Teppichböden noch aus den 1970er-Jahren«, so unisono die Zustandsbeschreibung für die weiterführenden Schulen bis dato. Ansonsten haben die vier in Rösrath nichts groß vermisst. »Die meisten Dinge bekommt man vor Ort, man kann viel machen, und für das gewisse Mehr hat man ja immer noch Köln«, betont Nadir und fasst damit unbewusst das Leben im sogenannten Speckgürtel zusammen, dem Niclas eigentlich nur Positives abgewinnen kann: »In Rösrath geht es nicht so distanziert zu, und auch nicht so hektisch.« Und wer Lust auf Party, Kino oder neue Leute hat, fährt halt in die Domstadt. Ein Manko allerdings lässt sich nicht wirklich wegdiskutieren, die eingeschränkte Mobilität, denn das Eltern-Taxi steht ja nicht immer zur Verfügung. »Die Fahrzeiten von Bus und Bahn könnten nachts besser sein«, kritisiert Niclas und plädiert für einen Nachtbus für Nachteulen, die nicht schon vor 0.30 Uhr zu Hause sein wollen. Am Ende ist es aber nicht der fehlende Nachtbus oder das aufregendere Großstadtleben, das junge Menschen weg aus Rösrath treibt, sondern die Ausbildung. Das Lehrstellenangebot ist nicht üppig, und wer an einer Universität oder Fachhochschule studieren will oder einfach auch nur nach einer Alternative zum gymnasialen Bildungsweg sucht, wird zwangsläufig zum Bildungspendler oder muss ganz wegziehen.

Nadir verlässt jeden Tag Rösrath Richtung Köln. Er besucht ein Berufskolleg in Ehrenfeld und braucht mit Zug und Bahn 40 Minuten bis zum Ziel, was er okay findet. Niclas hat bereits einen dualen Ausbildungsplatz bei Siemens sicher und arbeitet demnächst in Düsseldorf, genauso wie Raphael, der dort eine Ausbildung zum Bauzeichner beginnt. Wohin es Laura verschlägt, weiß sie noch nicht genau. Sie macht jetzt Abitur, und dann? »Ich will Chemie studieren, wahrscheinlich in Köln.«

Gehen oder bleiben? Die vier werden diese Frage bald schon beantworten müssen. Die Zeichen stehen eher auf gehen, um vielleicht ja ab und zu wiederzukommen, so wie Lauras Schwester, die in Bonn studiert. »Sie kommt oft am Wochenende nach Hause – nach Rösi-Town.« (Sigrun Stroncik)

Rösrath in Zahlen

Knapp 29000 Menschen leben in Rösrath. Die Sülzkommune ist damit laut amtlicher Statistik eine mittelgroße deutsche Stadt. 13 Prozent der Einwohner sind unter 15 Jahren alt, 15 Prozent im Alter zwischen 15 und 30. Rösrath ist eine Kommune, deren Bevölkerung bis 2030 noch wachsen soll. Aber auch sie hat Wegzüge zu verkraften, vor allem bei jungen Menschen zwischen 18 und 28 Jahren.

In unserer Serie Wir sind RÖsrath wollen wir diesen Zahlen Gesichter geben und haben mit vier jungen Menschen über das Leben jenseits der Großstadt gesprochen.