Über den Lüderich

Wanderung siebter Teil

Über den Lüderich

Am Rothenbach entlang. Die barockanmutende rosa Villa »Am Hammer« ist der Ausgangspunkt unserer Wanderung. Der Kaufmann Rudolf Philipp Boullé ließ sie 1784 errichten, als er sein Eisenhammerwerk aufbaute. Das Erz des sagenumwobenen Lüderichs prägte das Leben in Hoffnungsthal und brachte den Menschen im Zuge der Industrialisierung einen bescheidenen Wohlstand. Wir lassen das imposante Denkmal hinter uns, überqueren die Hauptstraße und passieren die ebenfalls sehr repräsentative weiße Villa (Villa Longrée), eine der letzten Bergwerksdirektorenvillen vom Lüderich. Wir laufen den Rothenbacher Weg entlang, so wie es früher die Grubenarbeiter getan haben, die dem Franziskaschacht und ihrem Tagewerk entgegenstrebten, nicht ohne sich an der Brauerei (heute Privathaus), kurz hinter dem Abzweig zum Rosenberg, eine Kanne Bier zu bunkern. Gegen Ende der asphaltierten Straße, kurz vor dem Anfang des Rothenbacher Tals, ist rechter Hand die alte restaurierte Waschkaue zu sehen. Sie war nicht nur Umkleide- und Waschraum der Grubenarbeiter, sondern auch Lohnbüro.

Von kleinen Waldfrüchtchen. Burkhard Bunse führt uns vor dem Beginn des Rothenbacher Tals rechts auf einen kleinem Pfad mitten in den Wald. Vom Bergbau sieht man noch Spuren in Form von Abraumhügeln. Himbeeren, Brombeeren und Walderdbeeren, die vor allem bei Igeln sehr beliebt sind, wachsen überall links und rechts im Unterholz. Auch ohne Früchte kann man die Pflanzen an ihren Blättern erkennen. Die an der Unterseite grünfilzigen Fiederblättchen gehören zur Himbeere, die weißfilzigen zur Brombeere, lehrt uns der Förster. Am Rand eines Siefen wächst eine Walnuss. Die hat wohl ein Eichhörnchen gesäht, indem es seine Beute, eine Nuss, vergraben und nicht wieder gefunden hat, erklärt Bunse die Singularität ihrer Erscheinung.

Am Franziskaschacht. Still ist es im Wald, selbst Vögel sind um die Mittagszeit kaum zu hören. Wir stoßen vom Pfad aus plötzlich auf eine Lichtung, über deren gelassener Ruhe der alte Förderturm des Franziskaschachts thront, eingetragenes Denkmal für den untergegangenen Bergbau auf dem Lüderich. Bis auf eine Tiefe von 232 Metern führte der 1892 von der belgischen Gesellschaft Vieille Montagne abgeteufte Schacht einst hinab. Fast 90 Jahre wurden durch ihn vor allem Zinkerze gefördert. Schluss war 1978. Wenige hundert Meter vom Franziskaschacht entfernt, stießen Archäologen auf einen weiteren Schacht, der unzweifelhaft beweist: Hier haben schon die alten Römer gegraben, nach Bleierz und Silber für das römische Köln. Doch wir widmen uns jetzt nicht mehr der Bergbauhistorie, sondern dem Wald ringsherum.

Buchen als Glücksbringer. Die Fichte beherrscht das Bild, ein relativ anspruchsloser aber wichtiger Wirtschaftsbaum, der zu vielerlei verarbeitet werden kann, wie Bunse erklärt. Der Lüderich ist eine vom Menschen stetig überformte Kulturlandschaft, in der auch Laubhölzer wie Eichen und Rotbuchen beheimatet sind. Bei den Germanen galt die Buche als Glücksbringer. Ihr Holz wurde zur Herstellung von Opfergefäßen verwendet. Und wer ein Buchenblatt mit dem Zeichen T fand, stand unter dem Schutz des Donnergottes Thor und konnte sich vor Verzauberung durch Hexen und Dämonen sicher sein. Buchenblätter dienten als Mittel gegen »hitzige Geschwüre«, geschwollene Augen und Gerstenkörner. So sehr wir die Augen auch aufmachen, ein Buchenblatt mit T wie Thor finden wir nicht und müssen weiter ungeschützt durch den Wald wandern.

Die Wildschweinsuhle. Zwischen Farnen bahnen wir uns hinter Burkhard Bunse einen Weg durchs Unterholz und stoppen vor einer ausladenden morastigen Bodenvertiefung – »eine Wildschweinsuhle« klärt der Förster uns auf. Sozusagen die Wellnessoase für Schwarzkittel. Hier befreien sie sich von Ungeziefer und legen sich zum Schutz gegen stechende Insekten einen Schlammpanzer zu. Zum Schluss scheuern sie sich an Baumstämmen, wie man an den eingetrockneten Schlammspuren an den Rinden erkennen kann.

Auf dem Lüderich leben beileibe nicht nur Wildschweine. Es gibt auch Füchse, Dachse, Schwarzwild und Rehe. Vielleicht werden wir in diesem Moment aus sicherer Fluchtdistanz beobachtet – wer weiß…

Richtung Bleifeld. Wir verlassen die Suhle, wenden uns nach links und stapfen gen Bleifeld. Pilze auf Sternenmoos sind schöne Teppiche »made in nature« zwischen den Baumreihen. Unser Blick fällt aber auch auf aus Asien und Amerika eingewanderte Neubürger, die zwar nett aussehen mit ihren rosa Blüten, aber in Wirklichkeit eine rechte Plage sind: Das Springkraut, das die heimische Pflanzenwelt zu überwuchern droht. 2000 Samen hat so ein Gewächs und die können weit springen wie Bunse mit seinem Sprungkrautsamenquetschtest beweist.

Blick über das Rothenbach Tal. Wir gehen weiter hoch Richtung Golfplatz, biegen aber kurz vor einem weißen Gebäude nach links auf den Wanderweg A 2,  der uns wieder hinunterführt ins Rothenbacher Tal.  Auf dem Weg dorthin zeigt uns Burkhard Bunse einen besonderen Aussichtspunkt: »Der schönste Blick in Rösrath und Umgebung«, wie Bunse findet. Idylle pur – ein Panorama wie im Schwarzwald. Köln ist nicht einmal zu ahnen.

Wir steigen hinunter und schlendern am Rothenbach entlang dem Ausgangspunkt entgegen. Es heißt, der Lüderich sei in heidnischer Zeit erheblich höher gewesen. Die Heiden opferten hier ihren Göttern, als das umliegende Land schon christianisiert war. Sie besaßen große Schlösser und waren reich, denn Zwerge und Riesen gruben für sie nach Edelmetallen. Ständig lagen sie dabei mit den Christen im Clinch. Bis sie bestraft wurden. Die rote Färbung des Rothenbachs erklärt sich nämlich damit, dass es das Blut von Bergleuten sei, die einst beim Einsturz des von jenen Heiden betriebenen Bergwerks ums Leben kamen. (Sigrun Stroncik)