Das rosa Rathaus
· Anzeige

Historische Gebäude

Das rosa Rathaus

Heute macht sich Kämmerer Karlheinz Batzer hier im Haus Gedanken über den Etat, also über das ganz große Finanzeinmaleins und Bürgermeister Marcus Mombauer grübelt in seinem Büro im  ersten Stock über so manche Ratsvorlage und das »Verwaltungs-ABC«. Wo heute die EDV im Rathaus »sitzt«, war damals wahrscheinlich ein Klassenzimmer.

1865 gab es schon seit 40 Jahren die durch Preußen (das Rheinland war preußische Provinz) eingeführte allgemeine Schulpflicht, aber im Bergischen Land noch allerlei Bildungs-Missstände. Die neue Schule an der Hoffnungsthaler Hauptstraße, versehen mit besser ausgebildeten Lehrern, gab  Kindern ab fünf Jahren die Chance, raus aus den Heck- Hof- und Winkelschulen zu kommen, in denen sie in den vier Wintermonaten meist von Handwerkern unterrichtet wurden, die kaum selber lesen und schreiben konnten.

Für die Schüler begann eine Ausbildung, die so lange dauern sollte, so die preußische Kabinettsorder, »bis das Kind nach einem Befund des Seelsorgers die seinem Stand zukommende Bildung erlangt habe«, nachzulesen in der Festschrift des Rösrather Geschichtsvereins »100 Jahre Schule Hoffnungsthal«.

Der Lehrer hatte ein karges Gehalt. 60 bis 90 Schüler musste er unterrichten, die eingepfercht in einem viel zu kleinem Klassenzimmer waren. Und nach der Schule musste er  die Räume kehren und lüften und vier Mal im Jahr scheuern.

Urlaub wurde beim Bürgermeister beantragt, der als Schulvorstand gemeinsam mit dem Pfarrer die Schulaufsicht hatte. Selbst Stundenplanänderungen gingen über den Tisch des Bürgermeisters, der praktischerweise ab 1875 seinen Sitz ebenfalls im Gebäude des heutigen Rathauses hatte.

Bald platzte die Schule aus allen Nähten und so wurde 1884 ein neues Gebäude an der Stelle der jetzigen GGS Hoffnungsthal bezogen.

Heute müssen die Lehrer der Grundschule nicht mehr Rathauschef Marcus Mombauer bemühen, wenn es um Stundenpläne und Urlaubsplanung geht. Auch sonst hat sich viel geändert. Das Schulgebäude wurde 1912 zum Rathaus in seiner jetzigen Form umgebaut. Architekt Hermann Eberhard Pflaume, der in Teilen den Kölner Olivandenhof errichtet hatte, übernahm die Planung des Erweiterungsbaus samt Bürgermeister-dienstwohnung. »Auf die ästhetische Seite des Gebäudes wird ein Hauptmerk gelegt«, so heißt es in seinem Bauantrag vom 11. Mai 1912. Und da hatte er nicht übertrieben. Pflaume hatte etwas übrig für einen gemäßigten barocken Stil, was man am rosa Rathaus noch erkennen kann.

Im umgebauten Haus residierte Bürgermeister Max Haumann als erster bis 1931. Von der Hauptsstraße 229 aus haben insgesamt 16 Bürgermeister vor Marcus Mombauer ihre Amtsgeschäfte geführt. Hervorgegangen waren sie aus verschiedenen politischen Systemen – erst staatliche Beamte, später gewählte Repräsentanten ihrer Kommune.

Das Rathaus hat sich in all den Jahrzehnten dabei kaum verändert – zumindest von Außen. »Wir müssen behutsam mit diesem Gebäude umgehen    «, erklärt Erwin Kauert. Die Originalstruktur ist bis heute geblieben und trotzdem erfüllt das Haus innen alle modernen Anforderungen an einen Verwaltungssitz. Und die auffällige Farbgebung hat auch ihren Sinn: »Dieses bonbonrosa ist sehr Nahe an der Originalfarbe«, klärt Kauert auf. (Sigrun Stroncik)