Hans Dieter Porten

Rösrath liest

Hans Dieter Porten

Überlingen am Bodensee: Eine Kindheit draußen in der Natur, Abenteuer unter freiem Himmel, schmutzig werden, mit Freunden herumtollen, unkontrolliert von Erwachsenen eine eigene Welt-Erfahrung machen, so verbrachte Hans Dieter Porten (67) einen Teil seiner Jungenjahre. »Sobald die Schule aus war und die Hausaufgaben gemacht, stürmten wir raus zum Rumspintisieren.« Das passende Buch dazu hatten er und seine Freunde da auch schon längst gelesen: »Huckleberry Finn« von Mark Twain. Damals versuchten sie etwas von dieser grandiosen Fiktion real werden zu lassen in ihren Kinder-Aktivitäten. »Einmal haben wir uns wie Huck Finn ein Floß gebaut und sind damit zu einer Schwaneninsel übergesetzt«, erinnert sich der Pensionär, dessen Patentante damals einen Buchladen unterhielt, wodurch er immer bestens mit Büchern versorgt war. »Es war einfach schön.«

Für den ehemaligen Elektroingenieur der Bundeswehr ist Lesen immer noch wichtiger Bestandteil seines Lebens, auch in seiner ehrenamtlichen Arbeit. Er ist Mitorganisator der HIDEA-Lesepartnerschaft an Rösraths Schulen und Vorleser im Wöllner-Stift. Die schönsten Volkssagen Europas, daraus trägt Hans Dieter Porten gerne vor. Das gesprochene Wort gibt ihm einen ganz anderen Zugang zur Literatur. Zwischen dem Vorleser und den Zuhörern entstehe eine besondere Spannung, spürt er, auch zwischen dem Vorleser und dem Text. In den Klöstern las man während der Mahlzeiten aus der Heiligen Schrift vor. In bildlichen Darstellungen wurde ein solcher »Vorleser« mit einer Eule auf der Schulter gemalt. »Will sagen, ihm wurde Weisheit zuteil«, so Porten.

Privat schmökert er am liebsten im Bett und dann französische Literatur im Original. Dabei findet er eine Autorin wie Fred Vargas (eigentlich Frédérique Audoin-Rouzeau) so ganz nach seinem Geschmack. Sie schreibt ungewöhnliche Krimis mit einem originellen Blick auf die Welt. »Die Handlungen wirken eher magisch als realistisch«, findet Porten. Typisch dafür der Vargas-Roman

Der 14. Stein. »Die Hauptperson ist Kommissar Adamsberg. Er ist ein Träumer, der durch seine Imaginationen zu Lösungen kommt, die seine Umgebung zunächst gar nicht nachvollziehen kann.

Die Geschichte fängt relativ harmlos an. Die Pariser Polizeitruppe um Adamsberg macht im kanadischen Quebec einen Kurs in modernen Ermittlungsmethoden.« Während ihres Aufenthalts geschieht ein Mord. Die Leiche weist merkwürdige Stichspuren auf, die Kommissar Adamsberg an einen drei Jahrzehnte zurückliegenden Mordfall erinnern, in den auch sein verschollener Bruder verwickelt war. Adamsbergs Hauptverdächtiger damals war ein Richter namens Fulgence. Er soll die Freundin seines Bruders mit einem Dreizack getötet haben. Ist er also auch der Mörder von Quebec? Da gibt es allerdings ein kleines Problem: »Richter Fulgence ist schon lange schon tot«, gibt Hans Dieter Porten zu bedenken. Können also Tote trotzdem morden? »Fred Vargas zeichnet ihre Figuren so detailliert, dass man sie sich richtig bildlich vorstellen und lieb gewinnen kann, man wird eingesogen in die Handlung«, so Hans Dieter Porten, der gerade das scheinbar Märchenhafte an der Story liebt. Adamsberg selbst ist ein Tagträumer, der sich auf sein Bauchgefühl verlässt, Kollege Danglard ist ein alleinerziehender Vater, der zu tief ins Weißwein-Glas schaut, Lieutenant Violette Retancourt ein intelligentes Pfundsweib, das Adamsberg oft aus gefährlichen Situationen herauspauken muss.

Einfach klasse, findet das Porten, der nicht nur französische Literatur liest, sondern auch alte französische Ausgaben sammelt, die er oft auf Flohmärkten findet. In diesen gebrauchten Büchern stöbert er dann manchmal alte Einkaufszettel in Schreibmaschinenschrift auf, Ansichtskarten aus lange schon vergangenen Zeiten oder Widmungen schwungvoll mit Füller geschrieben. Auf diese Weise gibt es ein doppeltes Vergnügen: Denn hinter der eigentlichen Geschichte scheint eine Besitzergeschichte auf, über die sich dann herrlich rumspintisieren lässt. (Sigrun Stroncik)