Rösraths neue Ehrenbürger

Drei auf einen Streich!

Rösraths neue Ehrenbürger

In früheren Zeiten wäre ich als Hexe verbrannt worden«, mutmaßt die Künstlerin Mary Bauermeister oder sie wäre vielleicht auch als Witwe dem toten Ehemann mit ins Grab gelegt worden. Unser Jahrhundert ist da doch etwas fortschrittlicher. Denn die heute 77-Jährige führte als alleinerziehende Mutter ein selbstbestimmtes Leben und wurde jüngst auch noch Ehrenbürgerin der Stadt Rösrath.

Neben Bauermeister erhielten auch Alt-Bürgermeister Dieter Happ und Unternehmerin Freya Steinkühler die höchste Auszeichnung, die eine Kommune zu vergeben hat, was viel über die Stadt und ihren Rat aussagt, der das so beschlossen hat. Denn hervor schimmert eine tolerante Stadtgesellschaft, die ihre Identität nicht allein aus kommunalpolitischem Handeln und ihren Funktionseliten bezieht, sondern auch aus einem sozialverantwortlichen Unternehmertum und einem reichen Kulturleben.

»Kultur erhebt uns über das Tier«, sagt denn auch Bauermeister, für die das Sammeln zum Kunst- und Lebensprinzip wurde, vielleicht ja auch wegen der Mangelerfahrungen durch den Zweiten Weltkrieg. Kiloweise flache Steine jeglicher Größe und Farbe hat sie an Meeresgestaden aufgeklaubt, sie in ein ästhetisches System geordnet, das einem mathematischen Geist entsprungen zu sein scheint. So entstanden ihre berühmten Steinreliefs. Die Materialien ihres Lebens sind Stein und Glas. Irden, undurchsichtig und schwer das eine, ätherisch, luzid und leicht das andere. »Von oben Inspiration – Licht, von unten Erde und Materie, beides ineinander ziehen, ›verknoten‹, voilà, das ist für mich Kunst«, sagte sie einst. Sie gilt als Mutter des Fluxus, ging in die USA, kam als erfolgreiche Künstlerin zurück nach Deutschland, genauer nach Forsbach, gestaltete Landschaftsgärten, wurde Mentorin der Kunstszene, übte Gastfreundschaft in ihren »offenen Ateliers«, machte multikulturelle Projekte in Kindergärten und Schulen und vermachte jetzt ihr »Wunderkammerhaus« der Öffentlichkeit. Ein Siebtel ihres Lebens habe sie jetzt sortiert, sagt sie. Zu diesem Siebtel gehört wohl auch ihre Autobiografie »Ich lebe im Triolengitter«, die jetzt herausgekommen ist. Der Titel geht auf einen Ausspruch von Karlheinz Stockhausen zurück, einem der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er beschrieb damit seine Ehe zu dritt mit Mary Bauermeister und Doris Andreae. Eine Triole bezeichnet übrigens die Zeiteinheit von drei Noten, die auf zwei Noten zusammengedrängt werden. Stockhausen verwandelte eben alles in Musik, so wie Bauermeister alles in ordnende Kunst verwandelte.

Jetzt ist sie in die Galerie der Ehrenbürger eingereiht, die zuvor nur die beiden Altbürgermeister Karlheinz Krakau und Erwin Schiffbauer zierten. Sie fühle sich stellvertretend für alle Künstler geehrt, sagt sie.

Dieter Happ gehört nun auch dazu und hat sich wirklich darüber gefreut, wobei ihm sowieso immer schon eines sicher war: die Sympathie der Bürger. »Die Ehrung habe ich stellvertretend für alle jene bekommen, die sich für andere einsetzen«, so sieht es der 71-Jährige jedenfalls. Fast 20 Jahre war er Rathauschef, davon neun Jahre hauptamtlich. In zwei Direkt-Wahlen blieb er unbesiegt, auch wegen seiner immensen Popularität, die nicht von ungefähr kommt. Denn er war und bleibt ein Kümmerer, der den Umgang mit Menschen braucht und sich immer dort in seinem Element fühlt, wo das Leben brandet und ganz konkrete Dinge getan werden müssen.

Seine Handynummer ist stadtbekannt und wer ihn anruft, kann auf Hilfe bauen, das ist immer noch so beim Pensionär im Unruhestand.

Während seiner Amtszeit hat sich die Stadt Rösrath verändert: Autobahnanschluss, Gewerbegebiet Scharrenbroich, das neue Begegnungs- und Jugendzentrum mit Mensabetrieb, die neue Dreifachturnhalle, offene Ganztagsschulen, die Übernahme des Freibads durch die Stadtwerke, den Erhalt von Schloss Eulenbroich, die Gründung der Bürgerstiftung und natürlich die Stadtwerdung der Kommune 2001, das und noch vieles mehr wurden von Rat und Verwaltung im letzten Jahrzehnt gestemmt.

Dieter Happs Herangehensweise war dabei immer etwas unorthodox und geschah oft genug auf dem ganz kleinen Dienstweg. Er selbst blieb stets geerdet, auch durch seine Ehrenämter. Über 50 Jahre singt er im MGV Concordia Forsbach, seit 1965 ist er Vorsitzender des Ortskartells seines Heimatstadtteils, unter dessen Dach der Martinszug in Forsbach organisiert wird. Und jetzt ist er ehrenamtlicher Geschäftsführer der Schloss Eulenbroich GmbH. Er bleibt eben ein Kümmerer.

Gekümmert hat sich auch Freya Steinkühler, wenn Bürgermeister Dieter Happ mal wieder ein wenig finanzielle Unterstützung für ein gemeinnütziges Projekt brauchte. Gelebt hat die Unternehmerin nie in der Sülzstadt. Aber sie liege ihr bis heute am Herzen, sagt sie. Dass sie jetzt Rösraths Ehrenbürgerin ist, hat sie überwältigt.

Ganz klein hatten sie und ihr Mann mit einem winzigen Möbellager in Köln angefangen. Dann zogen sie in die alte Lederfabrik gegenüber dem Rösrather Bahnhof und von da an waren Freya Steinkühler und die Stadt Rösrath irgendwie miteinander verbunden. Denn es entstand schließlich das überregional bekannte Rösrather Möbelzentrum in Stümpen, das inzwischen zum Möbel-Giganten Höffner gehört.

Der Erfolg als Unternehmerin ließ Freya Steinkühler nie vergessen, dass es anderen im Leben weniger gut geht. Ihr soziales Engagement in Rösrath ist heute noch groß. Unzählige gemeinnützige Einrichtungen, Gruppen und Projekte hat sie unterstützt: nicht nur mit Geld, auch mit Möbeln und anderen Sachspenden. Weckmänner für Kinder, Umbau einer Rösrather Villa in eine Kita, der Brunnen für den Sülztalplatz, die 75-Jährige gab und gibt noch heute mit ganz, ganz viel Herz. Auch eine Art, ihre Dankbarkeit zu zeigen. »Die Rösrather haben uns immer zur Seite gestanden«, sagt sie. Und so wird sie sich auch weiter hier engagieren. (Sigrun Stroncik)