Mein erster Schultag in Rösrath

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Mein erster Schultag in Rösrath

Das war nicht immer so: Noch bis in die 60er-Jahre gab es in Rösrath eine strenge Trennung von katholischen und evangelischen Kindern. In der evangelischen Hochburg Hoffnungsthal wurde der Schulhof so abgeriegelt, dass die wenigen katholischen Kinder getrennt in Empfang genommen werden konnten, um dann in ihr eigenes kleines Schulhaus, im Volksmund die Baracke genannt, zu gehen. Das umgekehrte Bild bot sich im heutigen Rösrath-Mitte. In der dortigen Grundschule – es gab nur eine katholische – waren die evangelischen Kinder in der Minderheit und »die mussten sich noch klein machen«, erinnert sich Uschi Heimbach als alt eingesessene Rösratherin. Mit der Lehrerin hatte sie großes Pech, »die Frau hat Generationen in Schrecken versetzt«, aber an ihre Schultüte kann sich Heimbach noch genau erinnern. »Unten war sie mit Papier ausgestopft, aber oben war sie voller Süßigkeiten.« In den 50ern keine Selbstverständlichkeit, viele Kinder hatten gar keine Schultüte, Naschware war teuer und rar.

Heute lebt eine ganze Branche von dem Ereignis und Eltern greifen tief in die Tasche für die Erstausstattung. Die Ausrüstung eines Erstklässlers muss nicht nur trendy sein, sondern auch orthopädisch einwandfrei. Beratung gibt es in den Fachgeschäften, die Auswahl an Modellen ist riesig. Immer häufiger sind Schulranzen, Sporttasche, Mäppchen und Schultüte im Design aufeinander abgestimmt, das Set gibt es für rund 150 Euro.

Ob selbst gebastelt oder gekauft, Jungs stehen bei Schultüten auf Piraten, Star Wars, Dinosaurier und Rennautos, Mädchen bevorzugen Pferdemotive, Blumen, Schmetterlinge und Disneymotive. Auch der Inhalt der Schultüte hat sich dramatisch verändert: Süßigkeiten sind nur noch eine kleine Zugabe, stattdessen gibt es hochpreisigere Geschenke wie CDs, Bücher, aber auch Armbanduhren, Wecker, Glücksbringer, besondere Stifte, Geldbeutel und und und. Nicht selten sieht man Mütter oder Väter, die die schwere Schultüte für ihre Pänz tragen und sich selbst noch einmal als Einschüler fühlen dürfen. Denn der erste Schultag ist heute ein Familienfest, zu dem oft auch die Großeltern oder Paten eingeladen sind. Stolze Zweitklässler führen kleine Willkommensstücke auf, die Schulleitung begrüßt die Erstklässler, ehe diese dann namentlich aufgerufen werden und mit ihren Lehrerinnen zur ersten Unterrichtsstunde  aufbrechen, während die Fördervereine der Schule sich mit einem Imbiss bei den »Erstlingseltern« vorstellen. Auch das gab es früher nicht: »Ich wurde von einem Lehrer aus Großbliersbach abgeholt und marschierte mit ihm zu Fuß zur Schule runter«, erinnert sich Kalli Müllenbach. Wie bei ganz vielen seiner Mitschüler waren die Eltern auf dem Hof beschäftigt. Wieder zu Hause ging es gleich rauf aufs Pferd, anders als Pippi Langstrumpf durfte Müllenbach aber nie hoch zu Ross zur Schule reiten.

Bei allen Unterschieden und allem Kommerz, eines hat sich nicht verändert:  Am wertvollsten sind die Freundschaften, die in dieser Grundschulzeit entstehen und oft Jahrzehnte überdauern. (Petra Stoll-Hennen)