Mit dem Kanu durch Rösrath

Auf der Sülz

Mit dem Kanu durch Rösrath

Eintauchen – Durchziehen – Hochziehen. Die Stechpaddel durchteilen die Wasserfläche des Flusses und treiben unseren Kanadier vorwärts. Wir hören das leichte Perlen der Tropfen auf dem Holz und dann die Stille, dann das Rauschen und Sprudeln des flacher werdenden wilderen Gewässers und dann wieder die Stille des träge dahintreibenden Flusses. Rösrath von der Sülz aus gesehen kann fast poetisch sein – eine Wildnis mit Auen, kleinen Wäldchen und geheimnisvollen Unterwasserwelten.

Bei Lehmbach sind wir mit unserem Boot in die Sülz gestiegen, rund sieben Kilometer flussabwärts geht es durch Hoffnungsthal, Vierkotten bis Scharrenbroich. Lautlos gleitet das Boot durchs Wasser. Ein Fischreiher steigt auf, vom Flussufer winkt uns fröhlich eine Kindergartengruppe zu, während wir unser Gefährt zwischen Ästen hindurchmanövrieren und uns dabei die Strömung zunutze machen. So wild wie noch im Mittelalter ist die Sülz natürlich nicht mehr. Sie wurde von Menschenhand überformt, begradigt, durch Bebauung und Uferbefestigung eingegrenzt, teilweise eingedeicht. Heute versucht man eine behutsame Renaturierung des Flusses, damit er wieder selber sein Bett findet, um seine Mäander zu ziehen, schon aus Gründen des Hochwasserschutzes. Denn oftmals versetzten die Wassermassen der Sülz Rösrath in Katastrophenalarm, ließen das Flüsslein zum See anwachsen. Einst beherrschte der Fluss das Sülztal und machte durch die stetige Verlagerung seines Laufes bis ins Mittelalter eine Besiedlung unmöglich. Heute kommen wir an schicken Einfamilienhäusern vorbei mit Gärten, die bis ans Flussufer reichen. Der Tag ist sonnig und in der glatten Wasseroberfläche spiegeln sich Trauerweiden und andere Bäume – ein Doppelbild in allen Nuancen von Grün.

Das Hoffnungsthaler Wehr an der Sülzbrücke. Vor uns liegt das Hoffnungsthaler Steilwehr an der Sülzbrücke, welches gut über die Fischtreppe auf der rechten Seite zu nehmen ist. Früher diente das Wehr zum Betrieb der unmittelbar daneben gelegenen Volberger Mühle, die schon im 18. Jahrhundert erwähnt wurde. Die Wasserkraft (heute sagt man ja erneuerbare Energie) der Sülz machte man sich beim Mahlen von Getreide zunutze. Anfang des 20. Jahrhunderts kam der Fortschritt ins Tal. Die Gebrüder Blech tauschten das Wasserrad der Mühle gegen eine Turbine aus, die elektrischen Strom erzeugte. Eine Elektrizitätsgenossenschaft wurde gegründet, und so leuchteten 1902 in Hoffnungsthaler Geschäften und Handwerksbetrieben, Wohnstuben und Wirtshäusern Glühlampen, bald schon wurden auch Motoren angetrieben. Aber das ist Vergangenheit – nachzulesen im Band 36 des Geschichtsvereins Rösrath »Hoffnungsthal – ein geschichtliches Bilderbuch«.

Wir paddeln weiter, unterqueren die Eisenbahnbrücke und folgen dem leicht mäandernden Flusslauf Richtung Venauen. Vom Fluss aus sieht man links und rechts nur grüne Wildnis, keine Gebäude, keine Menschen, nur Urwald, der den Fluss fast zuzudecken scheint.

Das sogenannte Schütz. Kurz vor dem zweistufigen Schrägwehr steigen wir aus für eine kleine Rast und schauen uns um. Wir stehen auf einem denkmalgeschützten Stauwehr – auch Schütz genannt. Zeuge für ein Stück Rösrather Industriegeschichte. Ein Tor im Wasser, das man drehen, öffnen und wieder schließen konnte, sorgte noch vor über 50 Jahren dafür, dass immer gleichviel Wasser aus der Sülz zur Wasserturbine der Lederfabrik von Emil Biedermann floss.

Die Fischtreppe. Eine Schautafel macht auf die Fischtreppe am Wehr aufmerksam. Wir lesen über die Wanderfischarten, die sich noch vor 100 Jahren in der Sülz zahlreich tummelten wie Aale, Lachse und Meerforellen, Fische, die es zum Laichen an ihren Geburtsort zurückzieht. Auf diesen Wanderungen scheitern sie oft an Wehren und Staustufen. Deshalb haben sie nun eine eigene Fischtreppe, die ihnen den Aufstieg in den Fluss erleichtert. Ansonsten schwimmen in der Sülz Äschen, Bachforellen, Bachsaiblinge und Bachneunaugen. Die Fischereigemeinschaft Rösrath hat ab dem Wehr ihre Pachtstrecke bis zum Einmündungspool des Gammersbaches. Ab und an sieht man die Angler in ihren Gummistiefeln mitten im Fluss auf den großen Fang warten.

Ammerland. Unser Boot lassen wir hinter dem zweistufigen Schrägwehr wieder zu Wasser. Vor uns liegt das  einstige Ammerland, ein wunderschönes Flussschwimmbad, welches im Jahr 1928 von Rösrather Bürgern eingerichtet wurde. Es gibt noch alte Postkarten aus der Zeit, wo die Badegäste auf dem kleinen Badestrand sitzen oder sich durch Bäume gut beschattet ganz dem Planschen in der Natur hingeben. Wegen seiner idyllischen Lage war das Naturfreibad auch bei den Kölnern sehr beliebt. Ausflüge nach Ammerland als Fernreiseersatz.

Campingplatz Hahnenberg. Wir lassen uns  von der Strömung der Sülz treiben und passieren den Dauercampingplatz Hahnenberg, gehegt und gepflegt mit Sitzbänken am  Wegesrand von der Campinggemeinschaft Rösrath. Die hauptsächlich aus Köln und Rösrath kommenden Camper fühlen sich wohl an der »Costa de Sülz«. Angesichts des Ortes auch kein Wunder: Plätscherndes Wasser, Vögel, alte Bäume und Feuchtwiesen – was braucht es mehr, um vom Alltagsstress abzuschalten.

Scharrenbroich entgegen. Wir müssen weiter. Die Sülz, mal wild, mal still stehend, fordert unsere Aufmerksamkeit. Kleine Stromschnellen beschleunigen den Bootsverkehr. Den Fluss haben wir ganz für uns allein – fast jedenfalls, denn ein wenig versteckt an der Uferböschung  schwimmen kleine Küken ihrer Entenmama hinterher. Wir paddeln weiter, bisweilen kommt so etwas wie Wildwassergefühl auf, aber bevor wir uns irgendwo im fernen Kanada wähnen, landen wir schon an der Autobrücke Richtung Scharrenbroich. Jetzt folgt die Plackerei – Kanadier rausziehen, aufs Auto hieven und fachmännisch festzurren. Das Ende zweier schöner Stunden auf der Sülz, die nach Wiederholung schreien. (Sigrun Stroncik)