Seelisch gesund erwachsen werden
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Dr. med. Josef Kirchner

Seelisch gesund erwachsen werden

Die Vorurteile, mit denen die anspruchsvolle Disziplin zu kämpfen hat, sind zahlreich, weiß Dr. Josef Kirchner, der in seiner kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis in Rösrath schon über 9000 junge Menschen betreut hat. Mit dem Berufsalltag haben diese Vorurteile nichts zu tun. Er ist Experte für Kinder und Jugendliche in seelischen Krisen. Seine Zunft befasst sich dabei sowohl mit den psychosozialen als auch mit den biologischen Faktoren, die solche Krisen auslösen.

»Was uns von Psychiatern für Erwachsene unterscheidet ist, dass Kinder einen familiären Rahmen brauchen, in dem sie groß werden.« Und deshalb steht im Mittelpunkt seines Handelns das Kind oder der Jugendliche mit seiner Familie, das Kind in seinen Beziehungen zur Umwelt.

Psychische Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu
Dass Kinder psychische Beschwerden entwickeln, ist nicht so selten, wie man denkt – die Rate ist ähnlich hoch wie bei Erwachsenen. »Jedes zwanzigste Kind und jeder zwanzigste Jugendliche in Deutschland hat heute eine behandlungsbedürftige psychische Krankheit. Etwa jedes fünfte Kind klagt über psychosomatische Beschwerden. Insgesamt sind etwa 18 Prozent der Kinder und Jugendlichen psychisch auffällig«, heißt es in einer Studie.

In die Praxis von Dr. Kirchner kommen einerseits die hyperaktiven (ADHS), verhaltensauffälligen oder aggressiven Kinder, es sind oft die Jungen, die ihre Belastungen und Konflikte so nach außen tragen. Sie fallen natürlich sofort ins Auge, weil sie Lehrer im Unterricht stören, die Eltern tyrannisieren, sich ständig mit Gleichaltrigen prügeln, sich nicht konzentrieren können, Lernschwierigkeiten haben.

Weniger leicht zu erkennen sind die leisen Störungen wie Depressionen, Phobien und Panikattacken. So hatte Dr. Kirchner einmal einen achtjährigen Grundschüler in seiner Praxis, der seine Umgebung gehörig nervte. Die Mutter des Jungen hatte zu dem Termin auch die Tochter mitgebracht. Und nach der Besprechung kam Dr. Kirchner zu dem Schluss, dass man sich mehr Sorgen um das Mädchen machen müsse als um den Jungen, weil es extrem verschlossen und in sich gekehrt sei. Und tatsächlich sind es oft Mädchen, die stille Störungen entwickeln. Für die Außenwelt sind sie angenehme Zeitgenossinnen, weil sie scheinbar gut funktionieren und keinen behelligen.

Weniger häufig kommen Jungen und Mädchen mit Essstörungen wie Magersucht zu ihm, nicht weil es diese seelische Erkrankung zu selten gibt, sondern weil die Betroffenen erst sehr spät in Behandlung geschickt werden, oft zu spät. Junge Mädchen, die auf ihre Figur achten, um dem mageren und völlig ungesunden Körperbild unserer Zeit zu entsprechen, ernten nämlich von der Außenwelt erst einmal Bewunderung für die Disziplin, mit der sie sich das Essen versagen. 

Insgesamt aber werden die Symptome seelischer Erkrankungen heutzutage von Hausärzten, Schulpsychologen, aber auch von Lehrern und Kindergärtnerinnen besser erkannt. Heute erhält ein Kind auch schneller Hilfe, weil das Angebot an Fachärzten größer ist als vor 30 Jahren. Aber es steigt auch die Zahl der seelischen Störungen. Es gibt eine enorme Reizüberflutung, ausgelöst durch zu viel Medienkonsum und Sitzen vor dem Computer. »Auch unser Perfektionswahn trägt dazu bei«, meint Dr. Kirchner. Die Anforderungen an die Kinder, vor allem in den weiterführenden Schulen sind gestiegen. Was zählt, ist das perfekt funktionierende Kind. »Es gibt heute nur wenige Nischen, die nicht intellektuell überformt oder mit Wissen überfrachtet sind.« Es gibt weniger Freiheit. Der Druck, der so entsteht, sucht sich Entlastung.

Eltern sind nicht schuld
Wenn Eltern mit ihrem Kind zu Dr. Kirchner kommen, nimmt er ihnen erst einmal die Schuldgefühle, mit denen sie sich belasten. Sofern sie ihr Kind nicht misshandelt, missbraucht, in den Keller gesperrt oder haben hungern lassen, trifft sie keine Schuld an einer seelischen Störung. Alle Eltern wollen gute Eltern sein. Erziehungskonzepte, die beim ersten und zweiten Kind gut funktioniert haben, können allerdings beim dritten Kind eben nicht funktionieren. »Wir träumen davon, dass alle Kinder gleich sind und nur von Umwelt und Erziehung geprägt werden. Sie kommen aber nicht als unbeschriebenes Blatt zur Welt«, weiß Dr. Kirchner.

Diagnose und Therapie
Kinder, die emotional oder sozial gestört sind, zeigen über einen längeren Zeitraum ungünstige, unangemessene Verhaltensweisen, mit denen sie auf innere oder äußere Konflikte reagieren. In ersten Gesprächen geht es Dr. Kirchner darum, das Kind oder den Jugendlichen und seine Familie kennenzulernen und dabei die Grundbedingungen für diese Störungen abzuklären. Es stehen ihm dabei eine Vielzahl an diagnostischen Möglichkeiten zur Verfügung, von der Intelligenzanalyse über neurologische Untersuchungen bis hin zur Verhaltensbeobachtung und vieles mehr. Es geht darum, die Probleme des Kindes zu verstehen und eine gezielte, individuelle Diagnostik und Therapie in die Wege zu leiten. Dabei ist der Kinder- und Jugendpsychiater auf keinen Fall ein Einzelkämpfer. Dr. Kirchner arbeitet mit Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten zusammen.

Das Ziel
»Wir sind keine Kinderreparaturwerkstatt«, betont Dr. Josef Kirchner. Er und sein Team wollen gemeinsam mit den Eltern das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes stärken und dabei auch die Eltern in ihrer Rolle als Erzieher unterstützen. Wichtig ist, die Stärken des Kindes zu erkennen, damit es seinen Platz im Leben findet, so wie es ist, mit seinen Fähigkeiten, aus eigenem Recht. »Wir erarbeiten gemeinsam eine Vorstellung von den späteren Lebenskonzepten, um vom krank machenden Druck zu befreien.« Das heißt auch, Abschied nehmen von der perfekten Biografie. (Sigrun Stroncik)