Elke Thöming

Rösrath liest

Elke Thöming

Nachts im Bett schmökert Elke Thöming heute am liebsten. Nach einem langen Arbeitstag hilft das beim Einschlafen, es sei denn, eine Geschichte fesselt sie so dermaßen, dass sie sie nicht mehr aus der Hand legen kann, dann wird nachts auch schon mal durchgelesen.

Hörbücher gehen bei ihr gar nicht. »Ich brauche meine eigenen Stimmen im Kopf.« E-Books auch nicht. »Ich klappe gern ein Buch auf. Das ist wie im Theater, wenn der Vorhang aufgeht. Ausnahmen mache ich nur bei Flugreisen, wenn nicht alle Bücher in den Koffer passen.«

Eine besondere Liebe verbindet sie mit einem Titan der deutschen Literatur: Thomas Mann. Den entdeckte sie mit 13 Jahren in Gestalt des Romans »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull«. Über Krull ist sie schließlich zu den »Buddenbrooks« gekommen, das Buch, das Elke Thöming vorstellen will. Erzählt wird der Aufstieg und Niedergang einer reichen Kaufmannsfamilie, das Kommen und Gehen von vier Generationen Buddenbrooks von 1835 bis 1877. Der pragmatische Johann Buddenbrook führt das Familienunternehmen zur Blüte. Mit dem frühen Tod seines kränklichen, Musik liebenden Urenkels Hanno sterben die Buddenbrooks aus. Der Roman erschien 1901, 1929 erhielt Mann dafür den Literaturnobelpreis.

»Allein die Geschichte ist schon spannend. Sie spielt in Lübeck, im Norddeutschen also, da stammt auch die Familie meines Vaters her.« Kaufmannsehre, Disziplin, Härte gegen sich selbst, Eigenschaften des hanseatischen Großbürgertums. Als Elke Thöming »Buddenbrooks« mit 16 erstmals liest, interessiert sie sich vor allem für die Frauenfiguren, allen voran die junge Tony Buddenbrook, die »sich der Familienpolitik beugt, deshalb ungeliebte Männer heiraten muss und so das eigene Lebens­glück der Familienräson opfert«.

Jetzt in reiferem Alter und mit mehr Wissen um Thomas Mann und seine Werke hat Elke Thöming noch ganz andere Seiten an den Buddenbrooks schätzen gelernt. »Man wird mit vielen interessanten und gegensätzlichen Charakteren konfrontiert, zu denen man völlig konträre Urteile und Standpunkte entwickeln kann, je nach eigenem Blickwinkel. Wunderbar sind auch die detaillierten Beschreibungen der Familienfeste, der Häuser, der Interieurs und der Familiendiners mit ihren strengen Ritua­len, wo jeder seinen festen Platz hat.« Das macht Thomas Mann in einer Sprache, »wo jedes Wort genau gesetzt ist«. Der Erzähler hat dabei einen weiten Blick und große manchmal leicht spöttische Distanz zum Geschick der Familie Buddenbrook, in der sich die Entwicklung des deutschen Bürgertums spiegelt. Dabei wird ein ganzer Menschen-Kosmos mit rund 400 Neben- und Randfiguren ausgebreitet und so viele Themen und Motive verfolgt, dass sie den Rahmen jeder Rezension sprengen. Thomas-Mann-Kenner Marcel Reich- Ranicki schrieb 1976: »Für ihn, Thomas Mann, war die Darstellung des Menschlichen stets ungleich wichtiger als die Teilnahme am Menschlichen. [...] Um es überspitzt auszudrücken: Er hat fast nichts erlebt und fast alles beschrieben.« (Sigrun Stroncik)

Buddenbrooks. Roman von Thomas Mann, erschienen im Fischer-Verlag. Taschenbuch, 768 Seiten für 9,95 Euro in der Buchhandlung Till Eulenspiegel in Hoffnungsthal.