Karen Simon

Die Kunst der feinen Nadelstiche

Karen Simon

Hochschule der Künste in Berlin, Stipendien in Italien und den USA. Bachelor of Fine Arts am California Institute of the Arts in Los Angeles. Praktikum bei Tom Hanks, Unterricht bei englischen Gewandmeistern. »Es war eine Fülle von inspirierenden Erfahrungen«, so die bescheidene Zusammenfassung der Künstlerin selbst. Heute ist Simon, die seit fünf Jahren mit Mann und zwei Kin­dern in Rösrath lebt, eine gefragte Kostümbildnerin an Theatern in ganz Deutschland.

Auch privat liebt sie es, kreativ zu sein. Bemerkenswert sind ihre »Fadenporträts«, die sie mit der Maschine auf Leinwand näht. »Alles an dem Bild ist aus Fäden«, bestätigt Simon, »Konturen, Augen, Haare, Accessoires.« Neben einer ruhigen Hand gehört viel Gespür dazu, einen Menschen mit wenigen Nadelstichen lebendig werden zu lassen und ihn in seiner Einzigartigkeit zu erfassen. Simon malt auch großformatige Bilder auf Leinwand, in Öl und Acryl, ihre Motive entwickeln sich spontan: »Menschen oder Tiere spielen aber immer eine Rolle darin.« Zurzeit sind ihre schöns­ten privaten Werke auf einer Verkaufsausstellung in Berlin zu sehen, wo sie bis zum Umzug ins Rheinland lebte.

Geboren 1972 in Erfurt, aufgewachsen in Potsdam-Babelsberg, wus­ste Karen Simon schon als junges Mädchen in der DDR, dass sie Kostüme entwerfen wollte. Geprägt vom Elternhaus, in dem Kultur gepflegt und eine freigeistige Haltung vorgelebt wurde, hielt sie an ihrem Traumberuf auch fest, als die Familie 1987 ausgewiesen wurde. Neustart in Hannover, Abitur, Schneiderlehre und »dann die erfolgreiche Bewerbung an der Kunsthochschule in Berlin«, erinnert sich Simon.

Mitten in der spannenden Zeit in Los Angeles traf sie mit dem Filmtonmeister Max Meindl die Liebe ihres Lebens und damit auch die Entscheidung, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Nach einer Assistenzzeit am Thalia Theater Hamburg wurde sie 2003 als beste Nachwuchskostümbildnerin ausgezeichnet. Inzwischen ist Simon gut im Geschäft und hat für viele deutsche Schauspielhäuser gemeinsam mit bekannten Regisseuren wie Jürgen Flimm, Johann Kresnik, Felicitas Brucker und Klaus Schumacher gearbeitet. Das jüngste Stück, für das sie die Kostüme verantwortet, spielt am Theater Bremen unter der Regie Schumachers und handelt von den U-Bahnanschlägen 2005 in London. »Die Arbeit beginnt mit dem Lesen des Stückes«, erklärt Simon. »Dann kristallisiere ich die Charaktere heraus, stelle mir vor, wie diese aussehen müssen, um im Milieu, in der Zeit und ich ihrer Persönlichkeit authentisch zu wirken.« Vom Hut bis zur Socke muss jede Figur bis ins Kleinste durchdacht sein, das ist ihr Anspruch. Wenn es die Zeit erlaubt und das Stück es erfordert, zeichnet sie sogenannte Figurinen, in denen sie die Darsteller detailliert mit Kostümen skizziert. Während die Absprachen mit Regisseur, Bühnen­bildner und Schneiderei vor Ort erfolgen, findet der kreative Teil der Arbeit oft zu Hause statt. »Das erleich­tert ein wenig den Spagat zwischen Beruf und Familie«, lacht Simon. Und es eröffnet Räume für die Entfaltung der privaten Künstlerin, die ihre Inspirationen und Motive am liebsten auf Reisen mit der Familie sammelt. »Wenn die Ideen sprudeln, muss ich malen, zeichnen oder nähen.« Das nennt man dann wohl Berufung. (Petra Stoll-Hennen)