Wie wir das schaffen

Flüchtlinge in Rösrath

Wie wir das schaffen

Wo sonst Handball gespielt oder geturnt wird stehen jetzt 100 Feldbetten. Sichtschutzwände trennen das Bettenlager in kleinere Einheiten. Im Treppenhaus spielen Flüchtlinge Karten, während sich andere die Beine vertreten und nach Rösrath laufen. Die Lieferung für das Mittagessen wird in den provisorisch eingerichteten Speisesaal getragen. Ein junger Vater mit einem schlafenden Säugling im Kinderwagen schaut durch die Tür, ob es schon etwas zu essen gibt. Szenen eines routiniert ablaufenden Tages in der Turnhalle des Rösrather Gymnasiums. Keine Aufregung, kein Chaos, alles entspannt, obwohl viele Nationalitäten unter einem Dach wohnen. 100 Menschen in einer Halle – das scheint zu funktionieren. Seit September ist hier eine von zwei Erstaufnahmeeinrichtungen der Stadt untergebracht, die zweite in der Sporthalle in Venauen. Zusammen kön­nen mehr als 200 Flüchtlinge versorgt werden.

Die Menschen hier haben erst mal einfache Bedürfnisse, sagt Ingeborg Schmidt, Vorsitzende des DRK-Kreisverbandes Rheinisch-Berg­isch­er Kreis: »Warm, satt, trocken und gesund. Wenn wir ihnen das bieten, sind die anderen Dinge nicht so wichtig.« Steckdosen sind heiß begehrt, um die Smartphones aufzuladen, die lebens­­­wichtigen Kommunikationsinstrumen­te, die durch die Flucht navigiert haben und jetzt den Kon­takt mit der Heimat herstellen. In einer ruhigen Ecke wurde ein Gebetsraum eingerichtet.

Viele erfahrene ehrenamtliche, aber auch hauptamtliche Helfer des DRK managen mittlerweile acht Flüchtlingsunterkünfte im Rheinisch-Bergischen Kreis. Morgens meldet sich die Bezirksregierung Arnsberg (sie ist für die Verteilung in NRW zuständig) per Telefon, abends kommen die Schutzsuchenden. Wenn überhaupt so viel Vorlauf da ist. Die Versorgung klappt mittlerweile wie am Schnürchen, vor allem weil die Erster­fas­sung, medizinische Kontrolle und Impfung seit Neustem zentral in der »Registrierungs- und Untersuchungsstraße« des Roten Kreuzes in Bergisch Gladbach erfolgen. So müs­sen sich die Helfer in Rösrath nicht mehr ständig um den Auf- und Ab­bau der dafür nötigen Infrastruktur kümmern, wie noch vor Wochen. Zudem gibt es jetzt schnellere Informationen, wer in Rösrath ankommt, da­mit gegebenen­falls Betten verschoben und Familien in den Schlafräumen zusammengelegt werden können.

In Rösrath werden die Flücht­linge zunächst mit den notwendigen Artik­ eln der hygienischen Grundausstattung und einem Schlafplatz versorgt. In der improvisierten Kleiderkammer im Schwimmbad, gefüllt durch Spenden Rösrather Bürger, können sich die Schutzsuchenden dann spä­ter Winterkleidung aussuchen. Man­che sind hier nämlich mit Flip-Flops und Shorts aufgetaucht. Ein Großteil der Menschen kommt aus Syrien, viele junge Männer sind darunter. Sie brauchen vor allem Ruhe und Zeit zum Ankommen.

Morgens, mittags und abends wird in der Halle Essen gereicht. Das strukturiert den Tag, gibt den Menschen eine Routine, an der sie sich festhalten können. Ohne die vielen Ehrenamtlichen des DRK wie beispielsweise Christian (25) würde das alles nicht so glattlaufen. Er ist fast täglich in der Turnhalle, um den Menschen zu helfen und ihnen auch ein offenes Ohr zu schenken. »Der Abend, die Dunkelheit, das ist für viele Flüchtlinge die schwerste Zeit am Tag«, weiß er. Dann merke man, was so mancher hinter sich hat. Christian erzählen sie dann ihre Fluchtgeschichte, in Englisch, manchmal auch mit Händen und Füßen. Lange bleiben die Flüchtlinge nicht, sie werden auf andere Kommunen in NRW weiter verteilt, so will es das Verfahren. Dann kommen wieder neue in die Erstaufnahmestellen. Wenn sie wie­der gehen müssen, so Christian, gibt es manchmal traurige Szenen. Dann steigt die Angst vor dem Ungewissen wieder hoch. Hier in Rösrath hatten sie für ein paar Tage eine gewisse Ruhezone nach einer langen schweren Odyssee quer durch Europa. Angekommen sind sie aber dann noch lange nicht.

Wie werden Flüchtlinge zugewiesen …

Die bundesweite Verteilung ist durch den Königsteiner Schlüssel geregelt. Danach muss NRW 21 Prozent der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge aufnehmen. In NRW ist dann die Bezirksregierung Arnsberg für die weitere Verteilung in die 396 Städte und Gemeinden verantwortlich. Innerhalb von NRW gilt allerdings ein anderer Verteilschlüssel: Zu 90 Prozent ist die Einwohnerzahl einer Kommune maßgebend und zu zehn Prozent deren Fläche.

… und was bedeutet Erstaufnahmeeinrichtung?

Eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) ist eine Einrichtung des Landes, die von kommunalen Trägern betrieben wird. Hier wird der reibungslose Beginn des Asylverfahrens sicherge­stellt. Zudem werden die Flüchtlinge registriert und auf andere Unterbringungseinrichtungen verteilt. In den EAE bleiben die Flüchtlinge in der Regel zwei Tage bis maximal zwei Wochen. Die dort ankommenden Menschen werden voll verpflegt. Da die Unterbringungsmöglichkeiten des Landes vollständig ausgeschöpft sind, wurden jetzt auch Kommunen unter 40000 Einwohner aufgefor­dert, Erstaufnahmeplätze zur Verfügung zu stellen. Die Finanzierung der EAE erfolgt unmittelbar durch das Land. Übernommen werden insbesondere die Kosten für die erstmalige Errichtung, eine Instandsetzung bestehender Immobilien und den laufenden Betrieb. Hat eine Stadt eine Landesunterbringungseinrichtung, dann werden diese Plätze auf die Gesamtzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge angerechnet. (Sigrun Stroncik)

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»Flüchtlinge Rösrath«