Unterstützung durch Paten

Flüchtlinge in Rösrath

Unterstützung durch Paten

Die winzige Dachkammer in Rösrath Venauen mit zwei Betten ist bullig heiß. Roschan (32) friert ständig, seit sie mit ihrem Bruder Scherbaz (16) nach Deutschland geflohen ist, und heizt tüchtig, obwohl es draußen mild ist. Sie serviert süßen Tee und schaut dann schnell wieder in ihr Deutschbuch. Deutsch, das will sie ganz schnell lernen, um vielleicht einen Praktikumsplatz zu bekommen. In Damaskus war sie Friseurin. Noch hat Dagmar von Boortz, die sich um die beiden Geschwister als Flüchtlingspatin kümmert, keinen offiziellen Deutschkurs für Roschan gefunden. »Vor allem die Erwachsenen nimmt kei­ner an die Hand, die hängen in der Warteschleife«, sagt sie. Scherbaz bringt sie das Antragsformular für den Spielerpass vorbei. Er liebt Fußball, spielt zweimal in der Woche beim TV Hoffnungsthal, ist Stürmer, so wie sein Vorbild Robert Lewandowski. Eine gemeinsame Gesprächsbasis mit deutschen Jugendlichen seines Alters ist beim Sport schnell gefunden – so einfach kann Integration sein.

Das kurdische Geschwisterpaar, das vor drei Jahren in den syrischen Kriegswirren von der Familie getrennt wurde und zunächst in Istanbul strandete, kann auf Dagmar von Boortz zählen. Das macht es einfacher für die beiden, sich in Rösrath zurechtzufinden.

Scherbaz geht in die Integrationsklasse der Hauptschule und zeigt stolz seinen fehlerfreien Mathetest. Er beherrscht den Stoff der neunten Klasse, obwohl er seit seiner Flucht, da war er zwölf, keine Schule mehr besucht hat. Von Boortz nimmt die Elternabende für ihn wahr, kümmert sich um die vielen bürokratischen Fragen, die im Rahmen des Asylan­trages ständig auftauchen und für die sie manchmal auch den Rat eines Anwalts braucht. »Es ist ein ständiges Frage- und Antwortspiel«, sagt sie. »Wann dürfen wir arbeiten, wann dürfen wir einen Deutschkurs besuchen, wie geht es weiter?« Die Verständigung klappt mit ein paar Brocken Deutsch und Englisch oder notfalls per Übersetzungs-App.

Integration bedeutet auch, sich gegenseitig vom Alltag und vom eigenen Leben zu erzählen und dabei voneinander zu lernen. Durch Scherbaz hat von Boortz beispielsweise erfahren, dass die Kurden im Prinzip das gleiche Alphabet (mit Um­lauten, so Scherbaz) wie die Deutschen haben und sich deshalb auch mit der Sprache leichter tun.

Abdul Rahman (21) kommt vor­bei. Vor seiner Flucht aus Aleppo hatte er acht Semester Maschinenbau stu­diert und Deutsch gelernt. Papiere und Studiennachweise hat er mitgenommen auf die Flucht. Aber auch er sitzt in einer Warte­schleife und bespricht mit von Boortz die nächsten Schritte wegen des nötigen Deutschzertifikats für die Uni. Sein Traum? »Ich möchte weiter Maschinenbau studieren, am liebsten an der RWTH in Aachen.« Die Untätigkeit, zu der er verdammt ist, macht Abdul Rahman ungeduldig. »Wie soll man sich integrieren und die Alltagssprache ler­nen, wenn man nicht auf Deutsche trifft, nicht arbei­ten oder studieren kann?«, fragt er. »Die jungen Leute sind dankbar, und sie werden erst mal hierbleiben«, sagt von Boortz. »Wir müssen ihnen mit Offenheit begegnen, herausfinden, was sie können und möchten, aber auch keine Wolkenkuckucksheime bauen.« Als Flücht­lingspatin fühlt sie sich auch dafür zuständig, ein realistisches Bild von Deutschland zu zeichnen. Aber sie schenkt bei aller nötigen Distanz auch persönliche Zuwen­dung. Die jungen Flüchtlinge jedenfalls werden bei Familie von Boortz Weihnachten feiern, ihr erstes im neuen Leben in Rösrath. (Sigrun Stroncik)